Freude am Durchblick
sehen.
Als Hartmut das nächste Mal in meine Praxis kam, beklagte er sich darüber, dass nach der Sitzung bei mir die Ekzeme in besonders heftigem Maß aufgetaucht waren.
Dies ist der Ausnahmefall einer Erstverschlimmerung, wie er in der Homöopathie bekannt ist. Das Ekzem zeigte mir, dass »unter der Oberfläche« etwas sein musste, das heraus will. Ich vermutete, dass es ein unter der Oberfläche brodelndes Thema geben müsse, eine Art Selbstsabotage-Programm, das durch die Therapie aktiviert worden war.
Da in Hartmuts Ursprungsfamilie Dinge unter den Teppich gekehrt wurden (»Man spricht nicht darüber«), war dies für mich ein Hinweis, dass dort die Ursache für Hartmuts Ekzeme liegen könnte. Ich bat Hartmut, bis zur nächsten Sitzung seine Fühler darauf auszurichten, ob es ein solches Thema bei ihm oder in seinem Familiensystem geben könne.
Daraufhin führte Hartmut ein Gespräch mit seinem Onkel väterlicherseits. Einem Nebensatz entnahm er, dass es auf der väterlichen Seite ein Familiengeheimnis über ein außereheliches oder ungeborenes Kind geben musste. Hartmut hatte schon viele Versuche unternommen, dieses Problem zu lösen. Ohne wirklichen Erfolg hatte er auch schon an mehreren Familienaufstellungen teilgenommen.
Da es sich um die väterliche Linie handelte, ließ ich Hartmut eine Augenklappe auf das linke Auge setzen. Meine Idee war es, Hartmut als Stellvertreter für seinen eigenen Vater aufzustellen. Hartmut schlüpfte in die Rolle seines Vaters, und sehr schnell tauchte die Erinnerung daran auf, dass er (der Vater) ein außereheliches Kind gezeugt hatte, welches von seiner Mutter, also der Großmutter des Klienten, komplett abgelehnt worden war. Es durfte niemals erwähnt werden. Es war sozusagen aus dem Familiensystem ausgeschlossen. Dieses Kind war sehr früh gestorben.
Ich selbst stellte mich als Stellvertreter für dieses Kind zur Verfügung. Ich –stellvertretend für das Kind – fühlte mich klein und zusammengedrückt, wie in einer Kiste. Als im Rahmen der Sitzung der Vater es schaffte, sich über das Verbot der Mutter hinwegzusetzen, und mich (repräsentativ für das Kind) anschauen konnte, breitete sich in mir ein Gefühl von Öffnung, Weite und Licht aus.
Im weiteren Verlauf der Sitzung legte Hartmut seine Augenklappe ab und stand nun als Bruder vor seiner Halbschwester. Es fiel eine Last von ihm ab und es zeigte sich bei ihm eine deutliche seelische Öffnung. Nach dieser Sitzung war er frei von Ekzemen. Nach meiner Kenntnis sind sie nie mehr wiedergekommen.
Dieses Beispiel zeigt, dass Neigungen zur Selbstbestrafung oftmals in Konflikten zwischen den Vater- und Mutterprogrammen liegen können. Das Ekzem war bei Hartmut so eine Selbstbestrafung. Der Vater fühlte sich schuldig dafür, das außereheliche Kind gezeugt und es zudem »unter den Teppich gekehrt«, also nicht zu ihm gestanden zu haben.
Viele Menschen drücken in ihrem Leben Selbstbestrafungstendenzen aus. Dies kann sich zeigen in einem gescheiterten Leben, in schwierigen Beziehungen, bis hin zu sexuellem Masochismus. Ein versierter Therapeut fragt sich in solchen Fällen: Wer ist es eigentlich wirklich, der hier bestraft/sabotiert werden soll? Die Hintergründe dafür können, wie das obige Beispiel zeigt, in den Herkunftsfamiliensystemen liegen. Solch schwierige Themen können oftmals nur aufgedeckt werden, wenn wir bei den systemischen Aufstellungen Vater- und Mutteraspekte einzeln betrachten und separat systemisch aufstellen, sodass nicht das jeweils andere Elternprogramm die Aufdeckung der Wahrheit sabotiert.
Ein Exkurs über das Sehen
Man sieht nur mit dem Herzen gut.
Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.
Antoine de Saint-Exupéry
Warum können wir sehen?
Die Augen sind nicht nur die Fenster unserer Seele. Sie sind auch auf der materiellen, grobstofflichen Ebene die Fenster zum Körper. Sie befinden sich in einer knöchernen Augenhöhle, wo sie von jeweils vier geraden und zwei schrägen äußeren Augenmuskeln gehalten werden. Die Augenmuskeln sorgen in ihrem Zusammenspiel dafür, dass sich die Augen in alle Richtungen bewegen können.
Der erste Teil des Auges, der vom Licht berührt wird, ist die Hornhaut (Cornea ). Sie ist durchsichtig und wölbt sich wie ein Uhrenglas über die Regenbogenhaut (Iris ). Die Iris ist der farbige Teil des Auges, der sich in brauner, blauer oder grüner Farbe zeigt. Die Farbe der Iris wird durch Farbpigmente erzeugt und verändert sich im Laufe des Lebens und
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