Freude am Durchblick
lieblos zu dir war. Ich habe dich nicht Kind sein lassen, ich habe dich als Partnerersatz missbraucht. Ich war so streng zu dir. Damit habe ich dir einen Teil deiner Kindheit genommen. Bitte verzeih mir. Bitte mach nicht denselben Fehler mit deinen Kindern. Liebe sie, sei gut zu ihnen. Sei ihnen ein besserer Vater, als ich Mutter zu dir war. Ich halte dich ganz fest und bin so froh, dass du da bist. Bitte entschuldige, dass ich nicht liebevoll genug zu dir war. Jetzt muss ich mich verabschieden. Ich gehe, aber ich komme wieder.«
Wassili fiel erschöpft zurück. Er zitterte am ganzen Körper und bat, berührt zu werden. »Wie oft habe ich mir das gewünscht«, sagte er später.
Bild 6
Cornea von Wassili nach der Sitzung
Aktivierung des Führungsauges im Beispiel Elsbeth
Elsbeth kam auf Krücken in meine Praxis, eigentlich wegen ihrer Augen. Sie war kurz nach ihrer Geburt an einer schweren Hüftentzündung erkrankt. Im Laufe der Jahre hatte sich als Folgeerkrankung noch eine schwere Dickdarmentzündung entwickelt. Darunter litt sie auch noch, als sie in meine Praxis kam.
Die Anamnese ergab: Ihr Vater war eine schwache und kränkelnde, eher hypochondrische Persönlichkeit. Er starb im Alter von 72 Jahren an einem Magengeschwür
und einer Darmlähmung. Unabhängig davon verehrte sie ihn sehr. Ihre Mutter erlebte Elsbeth als übergriffig, dominant, bedrohlich, kontrollierend und lehnte sie deshalb ab. Sie telefonierte jedoch trotz allem täglich mit ihrer Mutter, die vor Jahren einen leichten Schlaganfall erlitten hatte. Nachfolgend die Beschreibung der entscheidenden Therapiesitzung:
Ich bat Elsbeth, ein Gespräch mit ihrer Mutter darzustellen. Zu diesem Zweck deckte ich ihr linkes Auge ab. So war nur das rechte Auge geöffnet. Die Struktur ihres Vaters wurde nun aktiviert und ich begann mit Elsbeth ein imaginäres Telefonat. Ich fragte sie: »Hallo Mama, wie geht es dir?« Elsbeth sagte: »Ich bin froh, dass ich keinen erneuten Schlaganfall hatte.«
Dann deckte ich ihr rechtes Auge ab und Elsbeth schaute nur mit dem linken Auge. Die Struktur ihrer Mutter wurde aktiviert und sie begann (aus ihrem Mutterprogramm heraus) zu sprechen. Ich fragte sie: »Hallo Mama, wie geht es dir?« Elsbeth sagte nun: »Ich höre die Vögel singen, die Sonne scheint und ich freue mich, dass es mir so gut geht.«
Anschließend machte ich mit ihr die Stehübung. Dafür hielt ich die Klientin leicht an beiden Händen und bat sie, sich auf das Standbein zu konzentrieren und das andere Bein ganz leicht anzuheben. Elsbeth wählte als Standbein ihr rechtes Bein, das ohnehin schwach und behindert war. Sobald sie das linke Bein versuchte zu heben, drohte sie umzufallen. Daraufhin bat ich Elsbeth, sich auf das linke Bein zu stellen und das rechte Bein leicht anzuheben, was Elsbeth mühelos gelang.
Nach den beiden Übungen wurde Elsbeth schlagartig bewusst, was sie gerade gesagt und erlebt hatte. Ihr innerer Vater (rechtes Auge) sprach sofort über das Thema Schlaganfall, was seiner hypochondrischen Natur entsprach. Er hatte in erster Linie das Negative im Blick. Ihre angeblich übergriffige Mutter hatte das Vogelgezwitscher und den Sonnenschein wahrgenommen. Das »Vaterbein«, auf das sie sich ein Leben lang gestützt hatte, war ihr schwaches Bein, das eine Krücke brauchte.
Elsbeth erkannte ihren Irrtum. Ihre Kraft, Stärke und Fröhlichkeit hatte sie von ihrer Mutter und nicht von ihrem Vater. Ihr Leben lang hatte sie versucht, auf dem rechten Bein und ihrer schwachen rechten Hüfte zu stehen. Aber die rechte Seite, die für den Vater steht, konnte sie nicht tragen. Den starken, fröhlichen und lebensbejahenden Anteil ihrer Mutter hatte sie bisher abgelehnt. Nun realisierte sie, warum ihre Mutter stets alles im Griff haben musste. Obwohl die Klientin ihren Vater als liebevoll wahrgenommen hatte, wurde ihr bewusst, dass
ihr Vater seine Rolle als Ehemann und Vater nicht wirklich wahrgenommen hatte. Die Mutter war aufgrund der Umstände und ihrer starken Konstitution gezwungen, das Heft in die Hand zu nehmen. Erst durch diesen Prozess wurde Elsbeth offen für eine Sehtherapie. Sehen bedeutet hier: hinsehen, klar sehen, Realität erkennen, eigene Sichtweisen überprüfen und korrigieren. Nach dieser Erkenntnis probierte Elsbeth aus, wie es sich anfühlt, mehr auf dem linken Bein zu stehen. So entstand Vertrauen in das positive Potenzial ihrer Mutter. Auf dem Corneabild des linken Auges ist die positive Veränderung deutlich sichtbar.
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