Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi
Möglichkeiten.“
„Recherchieren ist nicht verboten. Wir haben Meinungsfreiheit, das ist nicht so wie in der Nazizeit.“
„Was meinen Sie damit?“
„Darüber möchte ich mit Ihnen persönlich sprechen.“
„Kommt nicht in Frage. Haben Sie etwa damit zu tun, dass ich morgen noch einmal ins Sicherheitsbüro kommen muss?“
Sieh an, Zuckerbrot hatte schneller reagiert, als ich gedacht hatte. „Gut möglich. Aber auch das ist nicht strafbar.“ Ich machte eine Pause und riss mich zusammen. „Hören Sie, ich war in New York und habe neue Informationen zum Tod von Jane Cooper. Ich glaube, es wäre auch in Ihrem Interesse, alles aus erster Hand zu erfahren. Geschrieben wird die Story so oder so. Sie sollen aber die Chance haben, Ihre Sichtweise darzustellen. Wenn Sie das nicht wollen, dann schreibe ich eben den berühmten Satz hinein: ‚Ministerialrat Bernkopf lehnte jede Stellungnahme dazu ab.‘ Klingt meistens nicht allzu gut. Eine Stellungnahme verweigern können Sie außerdem auch noch, nachdem Sie meine Geschichte gehört haben. Ich bin seriös.“
Er lachte auf.
„Ich zitiere Sie nur so, wie Sie es selbst wollen. Sie können Ihre Zitate auch noch vor Erscheinen des ‚Magazins‘ überprüfen. Kein Problem.“
„Wann?“
„Sofort wäre am besten.“
„Wo?“
Ich hatte ihn offenbar ganz schön unter Druck gesetzt. Oder wollte er mit mir reden, damit er wusste, was ihn in der Sicherheitsdirektion erwartete? Egal. „Am besten bei Ihnen zu Hause.“
„Das kommt nicht in Frage.“
„Sie werden noch verstehen, warum.“
„Gar nichts verstehe ich. Ich kann eine halbe Stunde aus dem Ministerium weg. Wir treffen uns im Café Ministerium. Kennen Sie das?“
Natürlich kannte ich es, das Café lag vis-à-vis vom ehemaligen Kriegsministerium, in dem nun auch das Landwirtschaftsministerium untergebracht war. Ich stutzte. Ganz in der Nähe war die Flüchtlingsberatungsstelle, in der Jane nach einer billigen Pension gefragt hatte.
„Ich kann mich nur wiederholen, ich habe die junge Frau nicht gekannt. Glauben Sie mir, die Sache tut mir überaus Leid. Wenn sie gefragt hätte, ob sie das Haus ihrer Vorfahren sehen kann, dann wäre es uns eine Freude gewesen, ihr alles zu zeigen. Das wäre ja nun wirklich das Mindeste gewesen. Aber sie war nicht bei uns. Sie hat mir auch nicht geschrieben. Vielleicht wollte sie es, das wäre plausibel. Aber es hat eben nicht mehr dazu kommen sollen.“ Ministerialrat Bernkopf zog ein ernstes Gesicht.
Mir schien seine Trauer nicht sehr tief zu gehen. Er rührte in seiner Melange und fuhr fort: „Fürchterlich, die Wirren des Zweiten Weltkrieges.“
„Das Haus ist Janes Urgroßeltern geraubt worden.“
„So viel Fürchterliches ist passiert unter dem verbrecherischen Regime. Ich heiße das absolut nicht gut, damit da kein Missverständnis aufkommt. Das arme junge Mädchen. Kommt nach Wien und wird dann von einer eifersüchtigen Psychologin ermordet.“
„Sie ist keine Psychologin. Und sie hat sie nicht ermordet.“
„Alle anderen scheinen aber davon auszugehen.“
„Ihr Haus gehört rechtmäßig der Familie Cooper.“
Ministerialrat Bernkopfs Lippen wurden schmal. „Hören Sie, ich habe gedacht, wir können uns vernünftig unterhalten. Und jetzt kommen Sie mit solchen absurden Beschuldigungen. Wahrscheinlich steckt da auch schon so ein amerikanischer geldgieriger Anwalt dahinter. Bei uns gibt es aber gottlob Gesetze. Die Vermögensrückgabe nach dem Ende des Dritten Reichs wurde in den Sechzigerjahren abgeschlossen.“
„Ich habe selbst Rechtswissenschaft studiert. Was ist, wenn die Familie Cooper bis vor kurzem gar nichts von dem Haus gewusst hat?“
„Die Fristen sind trotzdem schon vor Jahrzehnten abgelaufen.“
„Fristen können nicht zu laufen beginnen, wenn jemand gar nichts von ihnen weiß.“
„Die Gesetze sind ordnungsgemäß kundgemacht worden. Daher ist jeder, der nicht von ihrer Existenz weiß, selbst daran schuld.“
Fair war das nicht, vor allem, wenn man in den USA wohnte und das Gesetz in Österreich kundgemacht worden war, aber ich musste zugeben, es klang mir irgendwie vertraut und plausibel. Ministerialrat Bernkopf hatte sich wohl intensiv mit den Grundlagen der Nazirestitution beschäftigt. Das allein war schon interessant. Ich jedenfalls hatte auf der Uni nichts darüber gehört.
„Also noch einmal: Die Sache mit dieser Jane Cooper tut mir wirklich Leid, aber ich habe nichts damit zu tun. Und ich muss jetzt zu einer
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