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Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi

Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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verzauberter trauriger Elefant. Menschen, die mich neugierig musterten. Andere, die mich nicht einmal wahrzunehmen schienen. Die Geruchsmischung aus Desinfektionsmitteln und Kartoffelsuppe nahm mir beinahe den Atem.
    Die Schwester führte mich an einen Tisch, an dem drei Frauen saßen. Die eine konnte ihre Hände nicht ruhig halten, Parkinson’sche Krankheit, nahm ich an. Die anderen beiden starrten mich wortlos an.
    „Frau Leitner“, rief die Schwester mit enormer Lautstärke, „Sie haben Besuch.“
    Die Angesprochene kniff die Augen zusammen und sah mich weiter an.
    „Sie ist nicht immer ganz da, wenn Sie verstehen, was ich meine“, sagte die Schwester noch immer in derselben Lautstärke. Ich empfand es als entwürdigend, peinlich. Die Schwester drehte sich um und verschwand. Ich räusperte mich. Mit Alter und Krankheit hatte ich wenig Erfahrung, und ich gebe zu, meine größte Sorge war, dass jemand von diesen betagten Mitmenschen im nächsten Moment kollabieren könnte.
    Frau Leitner trug einen rosa Morgenrock. Unvermittelt griff sie nach meiner Hand. „Du bist aber nicht Claudia, oder?“, sagte sie dann. Ich schüttelte stumm den Kopf.
    Die Frau mit der Parkinson’schen Krankheit sagte mit klarer Stimme: „So nehmen Sie sich schon einen Stuhl und sagen Sie, wer Sie sind und was Sie wollen. Wir sind keine Idioten, nur weil wir schon etwas älter sind. Oder zumindest nicht alle von uns sind deppert. Claudia ist ihre Tochter, sie hat sie schon lange nicht mehr besucht. Daran, dass sie auch einen Sohn hat, kann sie sich gar nicht mehr erinnern. Kein Wunder, der kommt nicht einmal zu Weihnachten.“
    Ich setzte mich. „Frau Leitner“, begann ich, „kennen Sie eine Hanni Rosner?“
    „Hanni?“ Sie sah mich mit sanften, beinahe farblosen Augen an. „Ist sie zurück?“
    „Nein, aber erzählen Sie mir von ihr.“
    „Sie ist nach Amerika gegangen. Und ich habe geheiratet.“
    „Wie war das, als Hanni wegging? Und was war mit ihren Eltern?“
    „Meine Eltern sind tot.“
    „Mit Hannis Eltern?“
    „Die sind auch tot.“
    „Warum?“
    „Weil sie alt waren. Hanni war noch jung, jünger als ich. Und dann ist sie weggegangen.“
    „Warum wollen Sie etwas von diesen alten Geschichten wissen?“, fragte die Parkinson-Frau. „Sie verwirren Hedi nur noch mehr, lassen Sie sie in Ruhe.“
    Die dritte Frau am Tisch starrte mich weiter wortlos an. Ich versuchte mich zu konzentrieren. „Wissen Sie, wo Frau Leitner während des Krieges war?“
    „Unsinn, woher soll ich das wissen.“ Sie wandte sich ihrer Sitznachbarin zu: „Weißt du, was du im Krieg gemacht hast?“
    Hedi Leitner zuckte mit den Schultern. „Geheiratet habe ich. Weil ja Krieg war und ich eine halbe Jüdin bin. Einen Arier habe ich geheiratet, der hat mir geholfen. Aber ich war ihm zu dankbar. Nach dem Krieg ist er dann gegangen. Aber das war viel später. Und er hat mir immer Geld geschickt. Und dann hab ich noch einmal geheiratet. Herrn Leitner.“
    Ich sah die Frau mit den zitternden Händen fragend an. „Keine Ahnung“, sagte sie, „vergessen Sie es.“
    Einen Versuch noch. „Frau Leitner, hat die Enkelin von Hanni Rosner mit Ihnen geredet?“
    „Hanni Rosner war jung.“
    „Eine junge Amerikanerin. Vielleicht hat sie Ihnen Fotos gezeigt. Oder Briefe. Sie haben doch einen Brief an Hanni nach Amerika geschrieben?“
    „Ja, natürlich. Ich habe ihr zum Geburtstag gratuliert. Sie ist nach Amerika gegangen. Danach habe ich ihr noch einmal geschrieben. Aber das Mädchen hat ihr gar nicht ähnlich geschaut. Hanni war bildschön. Das Mädchen hat fast nur englisch geredet. Ich habe Englisch gelernt, damals am Gymnasium. Wir waren nicht hinter dem Mond, damals. How do you do?“
    „Und Sie haben mit dem Mädchen über Hanni geredet?“
    „In der Schule? Hanni war ja selbst in der Schule. Drei Klassen unter mir.“
    „Nein, mit der jungen Amerikanerin, die Hannis Enkeltochter war.“
    „Kommt sie wieder?“
    „Nein, ich glaube nicht.“
    Ein enttäuschter Zug breitete sich auf ihrem Gesicht aus. „Schade. Ich kann noch Englisch.“
    „Was hat sie erzählt?“
    „Wer?“
    „Also hören Sie schon auf, sie zu quälen. Was soll das Ganze überhaupt?“
    Ich machte eine Kopfbewegung in Richtung Frau Leitner. Ich wollte ihr nicht alles erzählen, es wäre mir unbarmherzig erschienen. Die Parkinsonkranke verstand, nickte, packte sich eine Krücke und stand schwerfällig auf. „Wir kommen gleich wieder.“
    Ich erzählte ihr in groben

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