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Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi

Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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Zügen, was ich wusste. Sie nickte ein paarmal. „Wir reden lange nicht so viel von der Vergangenheit, wie Sie vielleicht glauben“, sagte sie dann. „Wir haben genug mit unserer jetzigen Existenz zu tun: Mit Krankheiten, mit den netten und den weniger netten Pflegerinnen. Und mit der Sauerei, dass wir nur mehr in einem einzigen kleinen Raum rauchen dürfen. Ich weiß wenig über Hedis Vergangenheit. Aber wenn es etwas gibt, das Sie interessieren könnte, dann rufe ich Sie an.“
    Eine philippinische Schwester kam vorbei. „Sie dürfen nicht so stehen, Frau Tomas“, tadelte sie sanft.
    „Quatsch“, antwortete die Parkinson-Frau. „Wenn ich umfalle, dann fall ich eben um.“
    Ich hatte für die Story bloß eine Doppelseite bekommen. Die Aufregung am nächsten Tag bewies allerdings, dass sie bemerkt worden war. Korrespondenten von US-Medien wollten mich sprechen, Bernkopf drohte das „Magazin“ mit Klagen einzudecken, die linke Opposition warf der Polizei die bewusste Verschleppung der Aufklärung der beiden Mordfälle sowie der Regierung mangelhafte Sensibilität im Umgang mit der Nazivergangenheit vor, die rechte Regierungspartei forderte die Polizei auf, den Mörder im Kreis linksextremer Provokateure zu suchen. Der Kanzler plädierte für Gelassenheit. Ich gab drei Interviews für amerikanische Fernsehanstalten und lehnte das Angebot eines Sensationsblattes ab, mit einem deutschen Neonazi über den Holocaust zu diskutieren. Von einem Tag auf den anderen galt ich als engagierte Kämpferin gegen Rechtsextremismus und für die Vermögensrückgabe an Naziopfer, als linksradikale Hetzerin oder heldinnenhafte Antifaschistin – je nach politischem Standort eben. Ulrike rief mich an um sich zu bedanken. Oskar Kellerfreund rief an um mich zum Essen einzuladen. Joe rief an um sich für eine weitere Fernsehproduktion nach Berlin zu verabschieden. Sogar mein Vater rief an und bat, mich „bei diesem Thema“ nicht so weit hinauszulehnen. „Du bist zu jung um das zu verstehen. Außerdem scheinen diese Mordsachen eine fixe Idee von dir zu sein.“
    So als ob ich mir Morde herbeiwünschen würde.
    „Denk daran, dass der Ministerialrat Bernkopf ein anständiger Mann ist.“
    „Kennst du ihn?“
    „Nein, aber per Zufall habe ich heute mit einem alten Freund gesprochen und der kennt ihn gut. Über alle moralischen Zweifel erhaben. Ein ausgezeichneter Beamter, der schon bald Sektionschef werden soll. Du spielst das Spiel seiner politischen Gegner, wenn du ihn so grundlos beschuldigst.“
    Das Netz der Partei- und Vereinsfreundschaften hält eben.
    „Ich schreib nur, was wahr ist“, murmelte ich und bemühte mich, nicht wütend zu werden.
    „Als ob du wüsstest, was die Wahrheit ist. Sei vorsichtig, ich will ja nur dein Bestes.“
    Ich glaubte ihm ja. Aber was mein „Bestes“ war, darüber waren wir eben meist sehr unterschiedlicher Ansicht. „Wir sehen uns bei deiner Geburtstagsfeier.“
    Agenturmeldungen verkündeten, dass die wöchentliche Demonstration gegen unsere Regierung diesmal am Haus in der Birkengasse 14 vorbeigeführt werden sollte. Eine Aktivistin rief an und fragte, ob ich vor dem Haus eine Rede halten wolle. Ich lehnte gerade kurz angebunden ab, als der Chefredakteur an meinen Schreibtisch kam, mir ohne Rücksicht auf das Telefongespräch auf die Schulter klopfte und so, dass es alle im Großraumbüro hören konnten, rief: „Was ich gesagt habe: Diese Story wird einschlagen!“
    Am späten Nachmittag wurde es ruhiger. Die morgigen Zeitungsausgaben gingen in Druck, die ersten Radio- und Fernsehbeiträge waren bereits ausgestrahlt worden. Anders als es die aufgeregten Reaktionen hatten vermuten lassen, hielt zumindest der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine Berichterstattung sehr kurz. Von Jane Cooper war kaum die Rede, mehr Platz nahm der alte Parteienstreit über die Frage ein, wie viel Geld es für welche Naziopfer geben sollte.
    Noch einmal läutete das Telefon. Es war mein Kollege von „Boston Today“. Er hatte bei der Pressekonferenz mit Ulrike die Frage nach politischen Mordmotiven gestellt.
    „Ich sitze im Flugzeug“, begann er, „in drei Stunden bin ich in Wien. Ich möchte Sie unbedingt treffen. Also habe ich doch Recht gehabt mit meiner Vermutung, es handelt sich um eine politische Sache.“
    Das erschien mir relativ unpräzise, immerhin hatten sich seine Vermutungen auf irgendwelche durchgeknallten Neonazis bezogen und von denen konnte ich zum Glück weit und breit keine

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