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Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi

Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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Siebziger- oder Achtzigerjahren mit vielen gelb getönten Fensterscheiben. Irgendwie glich er einem Schlachtschiff. Es war Oskar gewesen, der mir den Tipp gegeben hatte, mich mit der Zeitgeschichtlerin Dora Messerschmidt zu treffen. Er schien sich mit Zeitgeschichte auszukennen. Ewig schade, dass ich unser Abendessen wegen dieses aufgeblasenen Journalisten aus Boston hatte absagen müssen. Seither hatten wir nur mehr telefoniert. Dienstlich, sozusagen. Vielleicht auch besser so.
    Ich meldete mich beim Portier an. Die Eingangshalle war menschenleer. Ob er bitte Frau Dr. Messerschmidt mitteilen könne, dass ich schon da sei? Er blätterte in seinem Telefonverzeichnis. Es gäbe hier keine Frau Dr. Messerschmidt, sagte er dann, wahrscheinlich arbeite sie nur zeitweise hier und nütze das Archiv.
    Ich wartete. Eine blonde Schönheit, Typ Barbiepuppe, eilte die Treppe herunter. Automatisch sah ich mich nach einem Fotografen um. Hatte es nun bereits das Staatsarchiv notwendig, etwas für sein Image zu tun?
    Das Model kam auf mich zu. Ich bemerkte, dass die Frau nicht mehr ganz so jung war, wie sie aus der Entfernung gewirkt hatte. „Frau Valensky?“
    Ich war erstaunt. Warum versauerte jemand wie sie als Sekretärin im Staatsarchiv?
    „Ja?“
    „Ich bin Dora Messerschmidt.“
    Ich gab ihr sprachlos die Hand. Eine langmähnige langbeinige Zeitgeschichtlerin mit Idealmaßen lag einfach jenseits meiner Vorstellungskraft. Ernsthafte Wissenschaftlerinnen trugen Brillen, hatten praktische Kurzhaarfrisuren und waren entweder asketisch oder von zu viel achtlos hineingestopftem Fastfood dick.
    Dora Messerschmidt lächelte. „Wir gehen am besten in das Wirthaus gleich an der Ecke. Es ist eines der wenigen übrig gebliebenen Wiener Vorstadtbeiseln. Mit hervorragender Küche und einer strengen, aber gerechten Serviererin. Wir lieben es alle. Und es hat einen Garten.“
    Ein Stück die staubige Straße entlang, dann nahmen wir unter einem Schatten spendenden Baum Platz und schienen plötzlich ganz woanders zu sein. Kein Straßenlärm, keine Spur vom nahen Schlachthof und von den Industriegebäuden rundum. Vogelgezwitscher, ein lauer Wind, viel Grün.
    Auch Dora Messerschmidt bestellte sich einen gespritzten Weißwein, sie wurde mir immer sympathischer. Jetzt blieb nur noch zu klären, ob sie alt genug war um ihr Studium tatsächlich schon abgeschlossen zu haben. Wahrscheinlich hatte Oskar mehr auf ihre Figur als auf ihre Qualifikation gesehen. Wer konnte es ihm verdenken? Trotzdem war da so ein kleiner eifersüchtiger Stich. Ich legte die Speisekarte entschlossen zur Seite. Dora Messerschmidt hingegen bestellte gebackene Leber mit Kartoffelsalat.
    „Sie haben also diese Geschichte über das Haus in der Birkengasse 14 geschrieben“, begann sie.
    „Und dabei habe ich bemerkt, wie wenig ich eigentlich über Arisierungen und alles, was damit zusammenhängt, weiß.“
    Sie nickte. „Das geht fast allen so. Mich hat die Sache schon während des Studiums zu interessieren begonnen. Momentan arbeite ich an einem Projekt über die Auflistung des in der Nazizeit geraubten Vermögens. Von Häusern, Wohnungen, Bildern, Schmuck, aber auch dem Wert von vorenthaltenen Versicherungspolicen, allem, was es eben so gibt. Und es geht dabei nicht bloß um jüdisches Vermögen, sondern auch um das von Zigeunern, teilweise auch um solches von Homosexuellen. Eine schwierige Sache.“
    „Und das soll alles zurückgegeben werden?“
    Sie schien über so viel Naivität nur zu staunen. „Nein“, sagte sie und schüttelte den Kopf, „den Eindruck erwecken nur gewisse Medien. Das meiste kann schon deswegen nicht mehr zurückgegeben werden, weil es keine Nachkommen gibt, die davon wissen. Andere wollen gar nichts zurück, die suchen nur nach ihren Wurzeln. Sie wollen herausfinden, was ihren Eltern, Großeltern, Urgroßeltern passiert ist und wie sie gelebt haben. Gerade wenn es um Häuser geht, so war es schon immer äußerst schwierig, sie zurückzubekommen. Es hat auf den Druck der Besatzungsmächte hin nach dem Krieg so genannte Rückstellungsgesetze gegeben. Aber die meisten, die die Verfolgung während der Nazizeit überlebt hatten, waren im Ausland. Viele wollten nicht mehr zurückkommen. Vielen wurde es aber auch so schwer gemacht, zurückzukommen, dass sie dann darauf verzichteten. Andere haben von den Rückstellungsgesetzen gar nichts erfahren. Denn kundgemacht wurden sie bloß im Amtsblatt zur Wiener Zeitung. Für das österreichische

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