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Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi

Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter gegeben. Ob sie das Geld schon bekommen hatten? Wahrscheinlich war es Janes Vater gewesen, der mit dem „Blatt“ geredet hatte. Statt ihm zu helfen, hatten sie die Sache zu einem Angriff gegen alle Hauseigentümer aufgeblasen. Die Opfer der Nazizeit und ihre Nachkommen wurden so plötzlich zur Bedrohung stilisiert.
    Ich nahm ein Stück Thunfischfilet aus dem Gefrierschrank und schnitt es ebenfalls in hauchdünne Scheiben. Der Fettanteil war hoch genug, dass das mit einer guten Schneidemaschine auch im fest gefrorenen Zustand kein Problem war.
    Bernkopf hatte bei weitem das beste Motiv. Ich gab den Rest des Thunfischs zurück in das Gefrierfach. Auch wenn es mit Sicherheit nicht so einfach war, ihm das arisierte Haus wegzunehmen. Wie war das eigentlich nach dem Krieg gewesen? Hatten die zurückgekehrten Juden ihren Besitz wiederbekommen? Höchste Zeit, das zu recherchieren. Eigentlich wusste ich über die konkreten Auswirkungen des Naziregimes wenig. Erst die Briefe von Hannis Eltern hatten in mir das Gefühl geweckt, dass es um mehr ging als um abstrakte Gerechtigkeit. Es ging ums ganz konkrete Leben und um ganz konkrete Schicksale. Millionenfach. Ähnlich und sehr verschieden zugleich.
    Ich legte die Thunfischscheiben über die Gurken, beträufelte das Ganze noch einmal mit etwas Öl und holte ein Stück Parmesan aus dem Kühlschrank. Die Überheblichkeit des Bostoner Journalisten war jedenfalls unerträglich gewesen. Natürlich hatte er mit vielem Recht, aber eben nicht mit allem. So einfach war die Sache nicht. Außerdem sollten sie sich in den USA lieber um ihre eigene miese Politik kümmern. Mit dem Käsehobel schnitt ich hauchdünne Parmesanstücke ab und legte sie auf den Thunfisch. Noch etwas Pfeffer. Wurde ich etwa langsam zur Patriotin? Wir sind wir und die anderen haben sich nicht einzumischen? Dabei war mir Patriotismus immer schon auf die Nerven gegangen. Hier und auch in den USA. Mein Vater hatte am Nationalfeiertag alljährlich im Garten die österreichische Flagge aufgezogen. Die ganze Familie war zu diesem Zweck versammelt worden. Einmal waren auch Medienleute dabei gewesen. Ich muss damals wohl etwa zehn Jahre alt gewesen sein, aber mir war aufgefallen, wie der eine Journalist spöttisch das Gesicht verzog. Bis heute war mir unklar, weshalb man an gewissen Tagen eine Fahne hissen sollte. Wir leben in Österreich. Andere leben in den USA. Und wieder andere in Bangladesh. Glück für mich, dass nicht ich es bin. Grenzen nerven mich. Egal welcher Art. Etwas für Gockelhähne und ihre Revierkämpfe.
    Ich toastete zwei Scheiben Brot, nahm mir ein Glas Pinot Grigio und setzte mich mit meinem späten Abendessen an den Küchentisch. Ach was, Frauen waren auch nicht viel besser. Eigentlich seltsam: Der Bostoner Journalist hatte mich mit seiner Art, Frauen nicht als Täterinnen, sondern bestenfalls als Mitläuferinnen in der Nazizeit zu sehen, ziemlich in Rage gebracht. Auch das war für mich Sexismus, Frauen einfach nicht ernst zu nehmen. Weder im Guten noch im Bösen.
    Frau Bernkopf fiel mir ein. Um sie hatte ich mich bisher nicht gekümmert. Dabei konnte es gut sein, dass eine Hälfte des Hauses ihr gehörte. Jedenfalls aber lebte sie genauso in der Birkengasse wie ihr Mann. Auch sie hatte wohl Interesse daran, dass sich daran nichts änderte. Vielleicht war ihr Interesse sogar noch größer als seines. Sie war Hausfrau. Sie kümmerte sich, wie mir die Studentin aus dem Parterre erzählt hatte, um die Wohnungsvermietung. Das rückte das Haus bei ihr vielleicht noch stärker in den Mittelpunkt. Gleich morgen würde ich mit ihr reden. Wo? Es war schwierig, ins Haus zu gelangen. Und wenn: Sie konnte mir die Türe vor der Nase zuschlagen. Am Vormittag fuhr sie meistens zum Einkaufen. In der Öffentlichkeit würde sie kein Aufsehen wollen. Eine gute Chance.
    Ich kostete vom Gurken-Thunfisch-Carpaccio und seufzte zufrieden. Gerade das Richtige, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen.
    In der Nacht träumte ich davon, dass das Haus in der Birkengasse brannte. In einem Feuerball kam Ulrike aus dem Haus gerollt. Ich hatte eine Maschinenpistole in der Hand und wusste, dass ich ihre Großmutter retten musste. Aber ich hatte keine Ahnung, wie das MG funktionierte. Aus dem Hintergrund schrie der Bostoner Journalist höhnisch: „Keine Ahnung, sie hat keine Ahnung!“ Dann gab es eine riesige Explosion.
    Ich wachte schweißgebadet auf. Besser, nicht auf die Uhr zu sehen. Besser,

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