Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi
Rechtsverständnis hat es gereicht. Die großen internationalen Zeitungen haben damals zwar von sich aus darüber berichtet, aber wer die nicht gelesen hat, hat nichts davon gewusst. Viele von denen, die sich um die Rückgabe ihres Eigentums bemühten, haben dann oft nach langen, zermürbenden Verfahren einen Vergleich mit den neuen Besitzern geschlossen. Denn entweder haben sie die Verfahren vom Ausland aus geführt, da waren die jetzigen Besitzer natürlich im Vorteil, sie waren ja vor Ort, oder es gab auch das Problem, dass alle Renovierungsmaßnahmen, alle seither gemachten Veränderungen in Geld abzugelten waren. Die meisten Juden hatten kurz nach dem Krieg nicht besonders viel Geld. Außerdem gab es noch die Streitereien, was denn nun ‚redlicher Erwerb‘ gewesen sei und was nicht. Wenn Juden zum Beispiel ihr Haus um ein Spottgeld abgekauft worden war, weil sie lieber heute als morgen fliehen wollten: War der Verkauf dann freiwillig erfolgt oder nicht? Jedenfalls aber wurde in den Rückstellungsverfahren dieser bezahlte Kaufpreis zurückverlangt. Und das, obwohl das Geld fast immer auf so genannte ‚Sperrkonten‘ gegangen ist, zu denen die ehemaligen jüdischen Hauseigentümer gar keinen Zugang hatten.
Langer Rede kurzer Sinn: Leicht war es nicht, etwas zurückzubekommen. Jetzt ist es noch viel schwieriger. Es gibt keine Rechtsgrundlage. Klagen kann man immer, aber ob es etwas nützt?“ Sie zuckte mit den Schultern.
„Und sollen sie es probieren?“
„Wenn sie ihr Eigentum zurückbekommen wollen? Warum nicht? Aber allzu viele Hoffnungen sollten sie sich nicht machen. Außerdem, ich hab’s ja schon gesagt, sind die meisten Menschen, die jetzt aus dem Ausland zu uns kommen, viel mehr an den Wurzeln ihrer Vorfahren interessiert als an realem Besitz. Mag schon sein, dass im Zuge dieser Nachforschungen bei einigen dann der Gedanke entsteht, dass dieses Haus oder diese Wohnung ja eigentlich ihnen gehören würde. Damit sind sie zweifellos im Recht. Aber die wenigsten setzen konkrete Schritte, um etwas zurückzubekommen.“
„Und diese amerikanischen Anwälte?“
„Die spielen ihr eigenes Spiel. Sammelklagen kennt man bei uns nicht. Eine lukrative Sache für Anwälte. Allerdings auch eine recht einfache Sache für Opfer um zu ihrem Recht zu kommen. Sie tragen den Aufwand eines Rechtsstreits nicht allein. In gewissen Zeitungen werden Opfer schnell zu Tätern, wenn sie sich zur Wehr setzen. Österreich will seine Ruhe“, setzte sie etwas bitter hinzu.
„Haben Sie die Sache mit der Birkengasse in den Medien verfolgt?“
„Natürlich, und ich bin auch von amerikanischen Journalisten dazu befragt worden. Die scheint das ja weit mehr zu interessieren als die Presse hierzulande. Es handelt sich offenbar um einen der besonders komplizierten Fälle. Es ist nie ein Anspruch erhoben worden, weil die Nachkommen höchstwahrscheinlich gar nichts von dem Haus gewusst haben. Es handelt sich um ein Haus, das enteignet und danach versteigert wurde. Gewisse Rechtsexperten sagen nach wie vor, dass es sich damit um einen so genannten ‚redlichen Erwerb‘ gehandelt habe. Immerhin hat es der nächste Besitzer gekauft. Wenn auch von der nationalsozialistischen Verwaltung.“
„Hat er dafür den normalen Preis bezahlt?“
„Keine Ahnung. Teilweise wurden Marktpreise gezahlt. Teilweise auch nicht. Das hing davon ab, wie gut die Beziehungen des Erwerbers zum Regime und zu denen waren, die die Sache durchgezogen haben.“
„Er war offenbar Offizier.“
„Wo?“
„Weiß ich nicht.“
„Egal, dann hat er wahrscheinlich weniger bezahlt. Trotzdem: Es ist fast aussichtslos, das Haus zurückzubekommen.“
„Obwohl es seinen Besitzern weggenommen wurde. Und obwohl das der nächste Besitzer wissen musste.“
Sie nickte. „Aber klagen kann man natürlich immer.“
„Das scheint Janes Vater vorzuhaben.“ Ich stutzte. Ob sie dafür Verständnis haben würde, dass mir seine Art nicht eben sympathisch war? Er war zweifellos im Recht. „Janes Vater wirkt, als wäre er in erster Linie am Haus interessiert“, begann ich vorsichtig. „Für die Lebensgeschichte seiner Mutter interessiert er sich kaum. Allerdings hat seine Mutter zu Lebzeiten alles geheim gehalten. Sie wollte über ihre Herkunft nicht sprechen und ihr Sohn hat nicht gefragt.“
Dora Messerschmidt nickte. „Solche Fälle gibt es immer wieder. Für viele war die Vergangenheit so unerträglich, dass sie sich vor den Erinnerungen schützen mussten. In
Weitere Kostenlose Bücher