Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi
Uhr gefunden. Ich bin nicht sehr begabt im Behalten von Zahlen, aber diese Uhrzeit hatte sich mir eingeprägt. Wahrscheinlich auch, weil mir diese präzise Zeitangabe außergewöhnlich erschienen war. Würde ich auf die Uhr sehen, wenn ich eine Tote gefunden hätte? Menschen waren eben verschieden.
Zuckerbrot anzurufen hatte wenig Zweck. Droch? Er schien ohnehin schon anzunehmen, dass ich ihn bloß als Kontaktperson zu seinem Freund bei der Polizei sah. Ich sollte Ordnung in mein Beziehungsleben bringen.
Aber wenn ich etwas Näheres über das Alibi der Bernkopfs herausfinden wollte, dann blieb mir wohl nichts anderes übrig, als Droch einzuschalten. Mein Chefredakteur hatte es abgelehnt, eine Hintergrundgeschichte über arisiertes Vermögen zu bringen. Nichts für unser Blatt, hatte er gemeint. Seit wann ich denn so missionarisch sei? Wahrscheinlich sollte ich ihm Dora Messerschmidt vorstellen. Aber das hatte wiederum sie nicht verdient.
Ich stand auf und drückte auf die Klospülung.
Vielleicht ließ sich mit Zuckerbrot ein Geschäft machen. Aber dafür würde ich ihm etwas anbieten müssen, das er nicht ohnehin schon hatte. Was? Auch in der heutigen Ausgabe des „Blatts“ war Ulrike als Hauptverdächtige genannt worden. Zwar neben den so genannten „linken Randalierern“, und der Artikel war schon weit kleiner, aber allemal. Millionen Menschen lasen das Schmierblatt. In den anderen Zeitungen gab es nur mehr Kurzberichte auf den Chronikseiten.
Ich war im Freud-Museum gewesen. Ich war nach New York geflogen. Ich hatte die Flüchtlingsberatungsstelle gefunden. Vesna war in der Pension „Alexandra“ abgestiegen. Ich wusste jetzt eine Menge mehr über so genannte Arisierungen.
Routinearbeit wartete auf mich. Eine Doppelseite über das Nachtleben in Teneriffa, wir übernahmen Fotos und den Rohtext von einer deutschen Journalistin. Ich hatte die Sache bloß aufzubereiten. Ich suchte nach meinem Mobiltelefon und legte es in die Handtasche.
Läuten, fast gleichzeitig ein Schlüssel, der sich im Schloss drehte. Vesna. Mein Lifestyle-Artikel konnte warten.
Meine Putzfrau schnaufte empört. „Die ganze Treppe bin ich gerannt. Ich will nicht zu spät sein. Aber Idioten haben mich aufgehalten.“
Ich sah auf die Uhr. Schon nach zehn. Mir war es völlig egal, wann Vesna kam, und ich sagte es ihr.
„Dir schon, Mira Valensky. Aber mir nicht. Ich bin pünktlicher Mensch.“
„Was war los?“
„Filmaufnahmen. Idioten haben die ganze Straße gesperrt. Autobus ist nicht gefahren. Nur wegen blöden Filmaufnahmen. Die Menschen haben sich auch noch gedrängt. Weil sie gehofft haben, dass sie mit im Film sind. Idioten. Halten alles auf.“
„Was war das für ein Film?“
„Du auch?“ Sie sah mich empört an.
„Du willst doch immer Spaß. Sind Dreharbeiten kein Spaß?“
Sie schnaubte durch die Nase. „Für James-Bond-Film vielleicht schon. Aber das da …“
Ich grinste und stellte mir Vesna als Bond-Girl vor. Nicht gerade die Klischeebesetzung, aber durchschlagskräftig. „Bond-Girl?“
„Pahh“, kicherte Vesna, „solche wie mich tun sie nur zu den Bösen. Slawin und Russin und so.“
„Also was waren das für Filmaufnahmen?“
„Irgendwelche langweilige Werbesachen. Mozartverkleidungen. Wie Wien eben ist.“
„Ich dachte, du magst Wien.“
„Wenn man etwas wirklich mag, man sieht genau hin und mag nicht alles. Aber man kann damit leben. Der Kameramann war Japaner.“
„Was gegen Japaner?“
Sie schüttelte den Kopf und schaltete die Kaffeemaschine ein. „Man muss arbeiten.“
„Das japanische Kamerateam“, schrie ich.
„Was?“
„Vesna, das japanische Kamerateam im Freud-Museum. Womöglich ist ihnen jemand durch das Bild gelaufen, den wir kennen. Sie waren kurz vor dem Mord an Jane da. Stell dir vor, wir sehen Bernkopf. Das ist zwar kein Beweis, aber ein ziemlich gutes Indiz. Ich muss sofort versuchen an den Film zu kommen. Du bist großartig.“
Sie wehrte geschmeichelt ab. „Zur richtigen Zeit am richtigen Ort.“
Die Sache mit dem Film war einfacher, als gedacht. Die japanische Produktionsfirma hatte eine Kopie des Films als Dankeschön für die exzellente Betreuung ans Freud-Museum geschickt. Nach einem Telefonat mit der Leiterin des Museums war klar, dass ich mir den Film jederzeit ansehen konnte. Nein, die Mordkommission habe nie danach gefragt. Ich verschob die Doppelseite über das Nachtleben in Teneriffa auf später und fuhr sofort in die Berggasse 19.
Ich klingelte,
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