Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi
Gegenüberstellung gegeben. Natürlich haben wir offiziell nicht gewusst, um wen es geht. Jedenfalls ist unsere Belegschaft gestern ins Sicherheitsbüro gebeten worden. Wir sind gefragt worden, ob wir einen der älteren Männer, die da in einer Reihe standen, schon im Museum gesehen hatten. Einige von uns haben einen entdeckt.“
„Ja?“
„Aber nicht Ministerialrat Bernkopf. Sondern einen Kriminalbeamten, der sich mit in die Reihe gestellt hatte. Er hat sich das Freud-Museum vor einiger Zeit angesehen. Privat. Selten so etwas, die wenigsten Wiener interessieren sich für unser Museum.“
„Verdrängung“, sagte ich kurz.
Jetzt sah er mich überrascht an.
Die nächste Stunde konzentrierte ich mich auf den Film. Immer wieder, wenn ich das Gefühl hatte, eine unbekannte Person im Hintergrund zu sehen, hielt ich das Band an. Japanisch ging mir auf die Nerven. Seltsam, etwas zu hören und nicht zu verstehen, aber gleichzeitig etwas zu sehen, das man gut kannte. Ich rieb mir die Augen. Die Museumsangestellten hatten Bernkopf nicht identifizieren können. Vielleicht war er verkleidet gewesen? Als Japaner? Ich grinste. Wahrscheinlich litt ich schon unter Verfolgungswahn. Immerhin: Auch Zuckerbrot hielt Bernkopf für verdächtig. Sonst hätte er nie eine Gegenüberstellung angeordnet.
Ich stoppte das Band. Ich ging näher zum Bildschirm. Jane Cooper. Sie stand da und betrachtete ein Foto von Freud. Eine schmale Gestalt in Jeans mit einem gelben Rucksack über der Schulter. Zentimeter für Zentimeter suchte ich das Bild ab, aber außer ihr war niemand zu sehen. Ich startete das Band wieder. Jane ging weiter, blätterte in ihrer Besuchermappe, sah dann aus dem Fenster. Schnitt. Nahaufnahme auf Freuds Zigarrenutensilien.
Ich blickte auf japanische Schriftzeichen. Der Abspann des Films. Ich ließ das Band noch einmal zu Jane zurückfahren. Eine amerikanische Studentin, die sich für die Geschichte der Psychoanalyse interessierte. An ihr war nichts Bemerkenswertes. Dennoch war sie nur kurze Zeit später ermordet worden. Im Film lebte Jane, und das war immer wieder abrufbar, als ich sie kennen gelernt hatte, waren ihre braunen Augen wie aus Glas gewesen. Ich schaltete das Videogerät ab. Eine Gruppe von Frauen war vorgekommen. Keine von ihnen war Frau Bernkopf, keiner der männlichen Besucher, die im Film zu sehen waren, war Herr Bernkopf. Auch sonst hatte ich – außer Jane – niemanden erkannt.
War den Hausbesitzern der perfekte Mord gelungen?
Statt in die Redaktion fuhr ich zurück in meine Wohnung. Vesna wollte gerade ihr Putzzeug verstauen, als ich mit der schlechten Nachricht kam.
„Aber gute Idee“, sagte sie.
Ich schenkte mir ausnahmsweise schon zu Mittag etwas Weißwein ein und goss viel Mineralwasser dazu. Vesna nahm das Mineralwasser pur. „Vor Dunkelheit Alkohol ist schlecht“, sagte sie.
Ich nickte. Ganz meine Meinung. Zumindest grundsätzlich.
„Was hat Jane in Wien getan?“, fragte ich sie.
Vesna trank von ihrem Mineralwasser und goss dann überraschend auch Wein dazu.
„Sie wollte das Haus sehen. Sie ist sicher zum Haus gefahren. Sie war im Museum. Hat Bücher gelesen. Hat mit Psychiater geredet und mit ihm gegessen. Zumindest gegessen.“
„Du meinst, dass da mehr wahr?“
„Keine Ahnung. Beide sind tot.“
„Sie hat ihm von dem Haus erzählt“, fuhr ich in unseren Gedankenspielen fort.
„Ja“, sagte Vesna, „mit irgendjemand muss sie darüber reden.“
Ich schüttelte den Kopf. „Ich glaube, dass sie auch im Haus war. Frau Bernkopf erzählt nicht alles, was sie weiß. Aber warum hätte Jane den Bernkopfs sagen sollen, dass sie dem Psychiater alles erzählt hat?“
„Vielleicht sie haben gedroht?“
„Vielleicht. Was hat Jane noch gemacht? Sie hat in der Pension gewohnt.“
„Sie hat wenig geredet, aber Briefe geschrieben. Zumindest für Papierkorb.“
„Ulrike hat gesagt, der Psychiater wollte ihr Wien zeigen. Sie sind also durch Wien gefahren.“
Vesna knallte den Wasserkübel auf den Boden. „Sie hat fotografiert. Zum ersten Mal in Wien. Und Amerikanerin. Da ist das Haus der Großmutter, da sind alte Fotos. Fotos. Sie macht natürlich auch Fotos.“
„Man hat bei ihren Sachen keinen Fotoapparat gefunden“, sagte ich langsam. „Ihre Mutter hat mir die von der Polizei zurückbehaltenen und die verschwundenen Gegenstände aufgezählt. Es ist ihr Tagebuch weg. Und ihr Notizkalender. Und ihre Geldbörse mit Kreditkarten und Ausweisen. Aber von einem Fotoapparat
Weitere Kostenlose Bücher