Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi
war nie die Rede.“ Ich sah auf die Uhr. In New York war es acht in der Früh. Mit einigem Glück hatte Mrs. Cooper nicht Dienst.
Ich suchte mir die Nummer heraus und rief an. Die Stimme am anderen Ende der Leitung klang verschlafen.
„Entschuldigung, dass ich Sie so früh störe, Mrs. Cooper, Mira Valensky spricht.“
„Früh?“, fragte sie auf Englisch zurück. „Ich bin eben heimgekommen. Nachtdienst. Gerade habe ich eine Schlaftablette genommen und mich niedergelegt. Ohne Schlaftabletten kann ich nicht mehr schlafen.“
„Nur ganz kurz: Hat Jane einen Fotoapparat nach Wien mitgenommen?“
„Ja, sicher.“
Ich machte zu Vesna aufgeregte Zeichen der Bestätigung. „Haben Sie ihn wiederbekommen? Hat ihn die Polizei?“
„Ich habe ihn nicht. Ich habe gar nicht mehr daran gedacht und auf der Liste mit den Beweismitteln ist er auch nicht. Vielleicht ist er mit dem Tagebuch und dem Kalender und ihrer Geldtasche verschwunden.“
„Hat die Polizei etwas davon gesagt?“
„Nein, ich glaube nicht. Auf der Liste, die ich unterschreiben musste, kam er nicht vor.“
„Wie hat er ausgesehen?“
„Das kann ich Ihnen genau sagen, ich habe denselben. Es ist eine kleine APS-Kamera, Marke Canon. Silberfarbiges Gehäuse.“
Davon gab es sicher Millionen.
„Ihr Name ist eingraviert. Mein Mann hat letzte Weihnachten uns beiden einen solchen Apparat geschenkt. Damit wir sie nicht verwechseln, hat er selbst die Namen eingraviert.“ Ihre Stimme wurde unsicher. „Mein Mann macht solche Gravierarbeiten als Hobby. Auch auf Gläsern und solchen Dingen. Jane hat sich so über den Apparat gefreut. Haben Sie ihn gefunden?“
„Nein, im Gegenteil. Er ist verschwunden. Wir fragen uns, was aus den Fotos geworden ist.“
„Hören Sie“, sagte Mrs. Cooper mit müder Stimme. „Ich habe eine Bitte. Reden Sie meinem Mann nicht ein, dass er das Haus zurückhaben kann. Es gibt nichts wie Ärger. Von der Sache kommt nichts Gutes.“
„Das war allein seine Idee. Es besteht auch wenig Aussicht, dass er das Haus tatsächlich bekommt. Obwohl er meiner Meinung nach im Recht ist.“
„Sagen Sie ihm bitte, dass er keine Chancen hat. Wir waren glücklich. Mit dem Haus hat unser Unglück angefangen.“
Ihr Unglück hatte nicht mit dem Haus, sondern mit den Nazis angefangen. Ich sagte ihr das.
„Ich habe nicht einmal gewusst, dass mein Mann jüdischer Abstammung ist. Nicht dass das irgendetwas ausmachen würde, aber ich habe es nicht gewusst. Und er auch nicht.“
„Wir müssen alle Fotogeschäfte abklappern und nach einem Film für Jane Cooper fragen. Uns wird schon etwas einfallen“, sagte ich zu Vesna.
Sie sah mich spöttisch an. „Ohne dass wir wissen, ob sie einen abgegeben hat? Du weißt, wie viele Fotogeschäfte es gibt? Und dass in jedem Supermarkt auch Fotos geholt werden können?“
Selbst für die Polizei war das eine kaum zu bewältigende Aufgabe. Ich konnte Zuckerbrot natürlich von der verschwundenen Kamera erzählen. Aber ob er etwas unternehmen würde? Und wenn: Was? „Wir müssen eben bei den Geschäften rund um die Pension und rund um das Freud-Museum anfangen“, sagte ich mit deutlich weniger Enthusiasmus.
„Ich habe bessere Idee.“ Sie machte eine Kunstpause. „Frau Bern kopf hat eine Putzfrau. Die werde ich fragen. Oder selbst mitgehen putzen, wenn Frau Bernkopf nicht da ist. Und dann sehen wir nach.“
„Vorausgesetzt, der Film ist noch in der Kamera.“
„Wissen wir nicht. Wissen wir auch nicht, ob sie ihn in ein Geschäft getragen hat.“
„Sie werden die Kamera längst weggeworfen haben.“
„Kann sein, aber Chance ist größer, als in allen Geschäften zu fragen. Wahrscheinlich ist der Film in der Kamera. Die Kamera ist vielleicht bei Bernkopf. Ich werde nachsehen.“
Vesnas Putzfrauennetz hatte bekanntlich schon öfter gut funktioniert. Warum sollten wir es nicht wieder damit versuchen? Außerdem graute mir bei dem Gedanken, unter einem Vorwand sämtliche Lebensmittelgeschäfte, sämtliche Drogeriemärkte, Elektro- und Fotogeschäfte abklappern zu müssen.
„Morgen du weißt Bescheid. Wir haben heute Abend Familientreffen. Nicht nur die Familie, auch die Freunde.“
Ich erschrak. „Du hast doch nicht etwa Geburtstag?“
„Aber nein, du weißt doch, Mira Valensky, der ist erst in einem Monat. Die Zwillinge sind es. Die haben Geburtstag. Ich muss noch Torte backen und all so etwas.“
Wieder einmal verblüffte mich, wie wenig ich von Vesna wusste. Ich hatte ihren
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