Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi
Lebensgefährten kennen gelernt und auch ihre Kinder. Ich wusste, wo sie wohnte. Aber was wusste ich von ihrem Leben?
Sie muss mir meine Gedanken angesehen haben und legte mir die Hand auf den Arm. „Du weißt viel mehr von mir als andere, Mira Valensky. Wenn du willst, dann bist du heute herzlich eingeladen.“
„Aber wenn es eine Familiensache ist …“
„Und Freunde. Wenn du magst, sonst ist es auch in Ordnung.“
„Klar mag ich.“
„Na also.“
Es wurde ein rauschendes Fest. Viele Menschen auf viel zu wenig Platz. Stolze Zwillinge, eine Menge gutes Essen und Rotwein, den ein Cousin von Vesnas Lebensgefährten direkt aus Kroatien importiert hatte.
„Familie ist wichtig“, grinste Vesna und schob sich eine Olive in den Mund. „Der eine weiß, wo guter Wein ist. Die andere kocht. Habe mir einfach bestellt, was ich wollte. Dafür gehe ich zu ihr ein paarmal putzen. Jani arbeitet als Köchin in Uni-Kantine.“
Entweder war das Essen in den letzten Jahren dort besser geworden oder Jani lebte ihre Talente lieber im Freundes- und Familienkreis aus.
Vesna nützte die gute Gelegenheit, um sich über Putzfrauen in der Birkengasse zu erkundigen. Aber es schien sich keine Verbindung zu ergeben.
„Muss morgen noch ein paar Leute anrufen“, tröstete mich Vesna zum Abschied. Ich war guter Dinge. Aber daran war wohl auch der Rotwein schuld. Erst auf dem Heimweg fiel mir ein, dass mir in einer Woche ebenfalls ein Familienfest blühte. Und dass ich mir langsam über ein Buffet für siebzig Personen Gedanken machen sollte.
Fast hätten Vesnas Putzfrauenconnections versagt. Erst drei Tage später konnte sie mir berichten, dass es sich bei Frau Bernkopfs Hilfe um eine hochnäsige Polin handelte, die sich auch nicht als „Bedienerin“, geschweige denn als „Putzfrau“ bezeichnen ließ, sondern als „Hausmädchen“.
„Spätes Mädchen“, präzisierte Vesna, „hat mir zumindest Bogdan erzählt. Auf alle Fälle will sie mit Jugoslawen nichts zu tun haben. Hält sich für etwas Besseres. Sagt, sie arbeitet nur in noblen Häusern. Mir ist dein Haus nobel genug, Mira Valensky.“
Ich machte eine kleine feierliche Verbeugung.
„Auch das von meinem Steuerberater und so. Meine Leute sind nicht schlechter als die von der Polin. Was ist Ministerialrat schon? Minister ja, aber Ministerialrat?“
Ich nickte.
„Aber“, fuhr Vesna fort, „Bogdan hat trotzdem gute Nachrichten gebracht. Die eingebildete Kuh, diese Polin, hat nämlich angegeben mit Ministerialrat. Und gesagt, dass es schon wieder einen ganz noblen Empfang bei ihnen gibt. Wohltätigkeit. Sie ist in so einem Damenzirkel, der Geld sammelt für irgendwelche Kinder. Ich glaube aus Rumänien. Da kommen auch Diplomaten und solche hohen Tiere, hat die Polin gesagt. Jetzt meine Idee: Ich gehe zu dem Empfang.“
„Ohne Einladung wird das nicht gehen.“
„Slowenische Gattin von Botschafter braucht keine Einladung. Sie hat von der guten Sache gehört und sie kommt.“
„Warum slowenisch?“ Eigentlich hatte ich etwas ganz anderes sagen wollen.
„Weil bosnisch verdächtig. Serbisch erst recht. Slowenisch weniger. Wenn die slowenische Botschaftsfrau da ist, dann kann ich schnell sagen, dass ich nicht richtig verstanden worden bin: Bin slowakische Botschaftsfrau. Du siehst, Mira Valensky, ich habe an alles gedacht.“
„Du willst als Frau eines Botschafters auftreten?“ Ich musterte die kleine, sehnige Gestalt in Baumwollhosen und T-Shirt.
„Du glaubst, Putzfrau kann das nicht, Mira Valensky? Du täuschst dich. Mit richtigem Namen kann ich sehr elegant sein. Beste Gesellschaft. Was glaubst du, dass der Unterschied zwischen Frau von slowenischem Botschafter und mir ist?“
„Der Unterschied ist: Sie ist es und du bist es nicht.“
„Aber wenn ich so tue, als ob, dann glauben sie mir Botschaftsfrau. Garantiert. Ich sage, dass ich es bin. Da passt auch Akzent und alles. Bei Botschaftern ist der Akzent kein Problem.“
„Und wenn sie dir doch auf die Schliche kommen?“
„Was dann? Dann fällt mir schon etwas ein.“
„Und deine Aufenthaltsgenehmigung?“
„Ist sicher. Ist es strafbar mit fremdem Namen zu einem Fest zu gehen?“
„Und was willst du dort tun?“
„Durchsuchen natürlich.“
„Das jedenfalls ist strafbar.“
„Nur, wenn ich Fotoapparat finde und mitnehme. Aber das ist dann der Beweis, dass Bernkopf noch viel strafbarer ist. Also?“
Gegen ihre Logik war man machtlos. „Das ist viel zu gefährlich“, sagte ich
Weitere Kostenlose Bücher