Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi

Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
Vom Netzwerk:
ging durch das mir inzwischen vertraute Treppenhaus nach oben, trat ein. Der Film würde in zehn Minuten für mich bereit sein, sagte mir ein Mitarbeiter. Ich schlenderte durch die Räume. Der Warteraum war das einzige Zimmer, das noch mit Freuds Originalmöbeln ausgestattet war. Dunkelroter Samtstoff, schwere Polster, ein Absperrseil, damit niemand auf den Gedanken kam, sich hier reinzusetzen.
    Hanni Rosner war nach Amerika gefahren. Sigmund Freud war nur einige Monate später nach London emigriert. Seltsam. Freud hatte für mich bisher in ferner Vergangenheit gelebt. Entrückt nicht nur durch seine Berühmtheit.
    Ich ging durch die zwei Ausstellungsräume, sie kamen mir viel kleiner vor als in meiner Erinnerung. Ich betrachtete die Fotos und Gegenstände mit neuen Augen, blätterte im Ausstellungskatalog. Das Museum erzählte Geschichten, die weit über dieses Haus hinausreichten. In den USA hatte ich solche Museen lieben gelernt. Hier ging es nicht nur um Ausstellungsobjekte, sondern ums Leben. Um eine Zeit, die auch viel mit Janes Geschichte zu tun hatte.
    Ernsthaft aussehende Männer mit Bart. Junge Frauen, den Blick in die Ferne gerichtet. Szenen aus einem Biergarten. Familienbilder. Bilder von Ehepaaren, ähnlich dem von Hanni Rosners Eltern. Publikationen. Freuds Töchter. Sein Bart war weiß geworden, sein Gesicht schmäler. „Gegen Psycho-Analyse“, stand in dicken schwarzen Lettern auf einem vergilbten Blatt. 1931, Süddeutsche Monatshefte. „… die Vergiftung eines der wenigen menschlichen Verhältnisse, die ihr, der Menschheit, noch als heilig gelten. Sie liegen auf der Linie des europäischen Nihilismus …“ Was Hannis Eltern wohl zu Freuds Theorien gesagt hatten? Freud hatte offenbar nicht erst unter den Nazis Gegner gehabt.
    Aufruf zu einem Antikriegskongress in Genf im Jahr 1932, Mitunterzeichner Sigmund Freud. Ein Auszug aus einem Brief Freuds, ein Jahr später: „In Wirklichkeit unterschätze ich keineswegs die Gefahr, die mir und anderen droht, wenn der Hitlerismus Österreich erobert. Aber ich sehe dem ruhig entgegen, bin gefaßt zu ertragen, was ertragen werden muß, und entschlossen, so lange auszuhalten wie immer möglich. Im Augenblick sieht es aus, als ob Österreich von der deutschen Schmach verschont bliebe.“ Auch kluge Menschen können sich in wesentlichen Fragen irren.
    Das Bild eines eindrucksvollen Sitzungssaals der Psychoanalytischen Vereinigung.
    Ein Foto vom Wiener Heldenplatz, voll mit Menschen, die gekommen waren um Hitler zu feiern. Dazu ein Text Freuds aus seinem Buch „Massenpsychologie und Ich-Analyse“: „Wir haben dies Wunder so verstanden, dass der Einzelne sein Ichideal aufgibt und es gegen das im Führer verkörperte Massenideal vertauscht. Das Wunder, dürfen wir berichtigend hinzufügen, ist nicht in allen Fällen gleich groß.“ Leute mit wenig Selbstbewusstsein waren immer schon eine leichte Beute für irgendwelche Führer gewesen. So jedenfalls verstand ich das und lächelte über Freuds ironischen Satz. Hatte er Humor gehabt? Diejenigen, die in der Gruppe stark taten, waren alleine nur allzu selten stark. Das machte sie freilich nicht weniger gefährlich.
    „Kaum dass ich die Arbeit wieder begonnen hatte, traten jene Ereignisse ein, die, Weltgeschichte im Wasserglas, unsere Leben verändert haben. Ich konnte beim Radio lauschen der Kampfansage wie dem Verzicht, dem einen Jubel und dann dem Gegenjubel. Im Laufe dieser ‚eventful week‘ haben mich die letzten meiner wenigen Patienten verlassen“, hatte Freud ein paar Tage nach dem Einmarsch der Hitler-Truppen an Arnold Zweig geschrieben.
    Etwa zur gleichen Zeit hatte Hanni einen Brief von ihren Eltern bekommen. Dass die Zeiten unruhig seien, dass man aber noch immer hoffe, es werde nicht ganz schlimm kommen, es werde eine „Lösung“ geben; dass der Teilhaber von Hannis Vater bis auf weiteres die Rechtsanwaltskanzlei übernommen habe.
    Der Museumsangestellte tippte mir auf die Schulter. „Das Video ist eingelegt. Der Text ist japanisch, aber das wissen Sie ja.“
    Ich folgte ihm. Freud war mir näher gerückt. „Haben Sie in den letzten Wochen im Museum einen Mann gesehen, Österreicher, zirka 55 Jahre alt, mittelgroß, eher graue Haare …“ Ich brach ab. Meine Güte, diese Beschreibung traf auf eine Menge Leute zu. Aber Bernkopf war nun einmal eine sehr durchschnittliche Erscheinung.
    „Sie meinen Ministerialrat Bernkopf?“
    Ich sah ihn überrascht an. „Woher wissen Sie?“
    „Es hat eine

Weitere Kostenlose Bücher