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Freuet Euch, Bernhard kommt bald!: 12 unweihnachtliche Weihnachtsgeschichten (German Edition)

Freuet Euch, Bernhard kommt bald!: 12 unweihnachtliche Weihnachtsgeschichten (German Edition)

Titel: Freuet Euch, Bernhard kommt bald!: 12 unweihnachtliche Weihnachtsgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Martenstein
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zum Schuppen führte hinter das Haus, wo ein vereister Trampelpfad über eine leichte Anhöhe in Richtung Dorf führte. Neben dem Schuppen, dort, wo der steile Teil des Weges begann, sah sie ihn liegen. Er sah alt aus. Seine Augen waren offen, in der Hand hielt er noch den Schirm. Der Regen auf seinem Mantel war bereits zu einer dünnen Eisschicht gefroren. Barbara sah, dass sie Holz nicht mehr helfen konnte. Dann ging sie langsam zurück zum Haus und erzählte ihre Geschichte.

Das Neue Testament
    Ich möchte Ihnen berichten, wie ich das verrückteste Weihnachtsfest meines Lebens gefeiert habe, mit den schönsten Geschenken. Und zwar nicht einmal an Weihnachten, sondern mitten im Sommer.
    Irgendwann haben wir beschlossen, uns am Heiligen Abend nichts mehr zu schenken. Die Kinder waren inzwischen aus dem Haus. Mit Kindern wäre so etwas schwer machbar, Weihnachten ohne Geschenke. Auch, wenn sie schon etwas größer sind. Man kann einem Kind ja schlecht sagen: So, weil du groß bist, schenken wir dir jetzt nichts mehr. Das bedeutet letzten Endes, dass man sein Kind für das Größerwerden bestraft oder ihm etwas entzieht, mit der Begründung, du rasierst dich jetzt, oder du benutzt jetzt einen Lippenstift.
    Unsere Kinder, wir haben drei, wohnen inzwischen weit weg. Die leben, wie man so sagt, ihr eigenes Leben.
    Uns ist die Kommerzialisierung von Weihnachten immer mehr auf die Nerven gefallen. Das geht schon im Oktober los. Immer nur kaufen, kaufen, kaufen. Ich bin christlich erzogen, auch wenn es lang her ist. Mir bedeutet der tiefere Sinn von Weihnachten schon noch etwas. Und dieser Sinn heißt auf keinen Fall kaufen, kaufen, kaufen.
    Am Heiligen Abend haben wir immer zu zweit zusammengesessen, hörten Radio – was im Fernsehen kommt, ist meistens grauenhaft –, schauten alte Fotoalben an und kochten etwas Leckeres. Irgendwann stand mein Mann jedes Mal auf, lächelte verlegen und holte aus seiner Schreibtischschublade ein kleines Päckchen. »Es ist nur eine Kleinigkeit«, sagte er. Dann stand ich ebenfalls auf und ging zum Kleiderschrank, denn ich hatte auch eine Kleinigkeit besorgt, eine CD , ein Buch, einen neuen Rasierpinsel, so etwas.
    Das ist unser Weihnachten gewesen, in den letzten Jahren. Ganz schön, aber auch ein bisschen einsam.
    Im Frühjahr des Jahres, von dem ich erzähle, bekam ich Leibschmerzen. Ich träumte die verrücktesten Dinge. Mir wurde oft schlecht. Ich habe sofort an Krebs gedacht. Aber ich bin nicht zum Arzt gegangen, stattdessen war ich in den ersten Wochen wie gelähmt. Ich wollte es nicht wahrhaben. Ich habe versucht, es zu ignorieren. Die Schmerzen gingen auch wieder weg. Die Träume blieben. Ich träumte oft von Weihnachten, von früher, mit den Kindern. Ich träumte von der Zeit, als wir verliebt waren. Das tat ein bisschen weh. Wir haben uns gern, aber Verliebtsein ist schon etwas anderes.
    Nach einer Weile spürte ich dann deutlich eine Schwel lung oder Geschwulst, und schließlich bin ich doch zu meinem Hausarzt gegangen. Als ich im Wartezimmer saß, dachte ich daran, was wohl aus meinem Mann werden wird, wenn ich gehen muss. So früh. Ich bin siebzig und hatte bis dahin nie gesundheitliche Probleme. Ich fahre viel Rad und gehe regelmäßig mit ein paar Freundinnen wandern. Mein Mann ist dreiundachtzig und schon ein bisschen tüttelig geworden in letzter Zeit.
    Der Arzt untersuchte mich, betastete den Bauch und schüttelte dabei dauernd den Kopf. Dann sagte er, dass ich schwanger sei. Da sei er sich sicher. Fünfter Monat. Vielleicht sechster. Welche Hormone ich nehmen würde. Und wie lange schon.
    Ich habe gelacht. Zuerst konnte ich gar nicht reden vor Lachen und vor Erleichterung. Kein Krebs, na, immerhin das. Dann habe ich gesagt: »Da irren Sie sich. Das kann ich Ihnen garantieren.« Bei meinem Mann und mir spielt das Sexuelle keine Rolle mehr. Seit Jahren nicht mehr. Ich vermisse es schon, hin und wieder hätte ich Lust, aber mit einem anderen könnte ich nichts anfangen, so bin ich nicht.
    Der Arzt sagte, denken Sie bitte nach, Miriam, da muss etwas gewesen sein. Sie müssen sich nicht schämen deswegen. Das ist doch alles heutzutage kein Tabu mehr. Oder haben Sie vergessen, dass Sie Hormone genommen haben? Vergessen Sie oft etwas, in letzter Zeit? Ich bin richtig wütend geworden.
    Am nächsten Tag bin ich zum Gynäkologen. Der Gynäkologe war angeblich eine Koryphäe und hatte keinen Termin frei. Aber als ich seiner Sprechstundenhilfe am Telefon meinen Fall geschildert

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