Freuet Euch, Bernhard kommt bald!: 12 unweihnachtliche Weihnachtsgeschichten (German Edition)
gesagt.
Das waren endlich einmal Geschenke, die von Herzen kamen. Nichts Kommerzielles. Ich habe mir gesagt, was soll’s. Und so habe ich zum ersten Mal in meinem Leben einen Joint geraucht, die Fahrer und mein Mann haben mit dem Wodka angestoßen. Das Baby haben wir in das karierte Tuch gewickelt. Und wenn wir sterben, wird der Afrikaner zum Vormund. Das ist ein echter Häuptling.
Das Weihnachtsbaumwunder
Ich heiße Holger, bin von Beruf Systemadministrator und seit elf Jahren mit Brenda zusammen. Es ist eine wunderbare Beziehung, in jeder Hinsicht. Ich glaube, da spreche ich auch für Brenda. Wenn wir uns jemals gestritten haben, dann immer nur an Weihnachten. Und zwar jedes Mal wegen des Baumes.
Brenda hat sehr genaue Vorstellungen von einem Weihnachtsbaum. Der Baum muss ungefähr einen Meter achtzig hoch sein, damit er was hermacht, aber trotzdem noch gut in die Wohnung passt. Regelmäßiger Wuchs ist ihr sehr wichtig. Es darf keine kahlen oder schütteren Stellen geben. Die Nadeln müssen eine intensive grüne Farbe haben, aber nicht zu intensiv. Sonst sieht es nach Plastik aus. Und so weiter. Der Baum, den ich anbringe, ist immer falsch. Es gibt immer irgendein Detail, das nicht stimmt.
»Brenda, Häschen«, sage ich dann, »komm doch einfach mal mit zum Baumkaufen.« Aber sie hat immer so viel vorzubereiten. Sie bäckt Plätzchen, sie dekoriert die Wohnung. Das kann ich beides bei Weitem nicht so gut wie sie. Wir laden zum Fest gern Freunde ein, meistens kommen acht oder zehn Gäste. Wenn sie zum Aussuchen mitkommen würde, könnte Brenda sehen, dass es wirklich keinen schöneren Baum gab. Ich bin bei mindestens drei Händlern gewesen und habe den schönsten ausgesucht. Es war der schönste Baum. Punkt. Brenda hätte garantiert genau den gleichen genommen, wenn sie ihn gesehen hätte, vorher, bevor ich ihn in die Wohnung gebracht habe.
Aber in dem Moment, in dem der Baum die Wohnungsgrenze überquert, ist er nicht mehr irgendein Baum, ein Baum, den man objektiv betrachtet, nein, es ist der Baum, den der Holger ausgesucht hat und der wieder einmal nicht der richtige Baum ist.
Ich sage: »Brenda, macht dir das Spaß? Machst du das gerne, Häschen, das mit dem Baum? Immer zu schimpfen? Gibt dir das was? Schau ihn dir doch einfach mal an, ganz in Ruhe, vergiss, dass ich diesen Baum gekauft habe, denk, dass es irgendein Baum ist, dann merkst du, wie schön er ist. Hier, die Nadeln, grün, keine einzige gelbe oder braune, der Stamm, die Äste, alles perfekt, die Höhe, komm, Brenda, komm her, mein Häschen, fass den Baum an, er ist schön.«
Brenda sagt, der Baum ist indiskutabel. Aber es würde schon gehen. Das ist jetzt halt unser Baum, damit muss Brenda zurechtkommen, macht ja nix. Mit Dekoration kann man ein bisschen was korrigieren, das Krumme, das Schäbige, mit Dekoration kriegt Brenda das hin, muss ja. Brenda fragt: »Wo kommt der Baum in diesem Jahr denn her? Aus Bangladesch?«
So fängt der Streit meistens an.
In diesem Jahr war der Baum zu groß. Sagte Brenda, und zwar am Morgen des 24. Dezember. Der Baum war einen Meter und achtzig hoch, wie immer. Vielleicht einen Meter und fünfundachtzig.
Brenda fragte: »Siehst du nicht, dass er an die Decke stößt? Die Spitze biegt sich.« Außerdem war ihr der Baum zu breit. Er war viel zu ausladend.
Ich sagte, dann säge ich eben ein Stück ab von dem Baum, ich kürze die Äste, und die Seite mit den gekürzten Ästen stellen wir an die Wand. Da fällt das überhaupt nicht auf.
Brenda machte nur ein Geräusch, ein »Pfff« oder »Puh«, was weiß ich.
Zuerst musste ich den Baum aufstellen. Ich habe den Baumständer aus der Kammer geholt. Der Stamm war zu dick und passte nicht in die Öffnung von dem Baumständer. Also habe ich die Axt genommen.
Brenda sagte: »Das ist nicht dein Ernst.«
Ich sagte, doch, doch, das ist mein Ernst. Der Stamm ist zu dick, und jetzt mache ich den dicken Stamm dünner, damit er passt. Und das ist mein Ernst, ja, durchaus.
Brenda sagte: »Aber doch nicht in der Wohnung auf dem Parkett.«
Da habe ich den Baum in Richtung Balkon geschleppt. Der Baum passte nicht auf den kleinen Balkon, das sah man sofort. Also habe ich den Teil mit den Ästen in der Wohnung gelassen und nur den unteren Teil, den Teil mit dem Stumpf, auf den Balkon gezogen. Der Baum war halb drinnen, halb draußen. Ich also mit der Axt an den Stamm.
Brenda sagte: »Wie kann man nur so einen Baum kaufen, so ein Monstrum, für eine Wohnung von neunzig
Weitere Kostenlose Bücher