Freuet Euch, Bernhard kommt bald!: 12 unweihnachtliche Weihnachtsgeschichten (German Edition)
haben beim Notar ein Berliner Testament hinterlegt. Das heißt, wenn einer von uns stirbt, erbt erst mal der überlebende Ehepartner alles. Nach dessen Tod wird der Rest unter den Kindern verteilt. Mein Mann meinte, dass es wegen unseres Alters passieren kann, nein, es sei sogar wahrscheinlich, dass wir beide sterben, während das Kind sich noch in der Ausbildung befindet und Geld braucht. Es könnte auch passieren, dass der überlebende Partner senil ist und nichts mehr für das Kind tun kann oder im Heim lebt und dass dabei das gesamte Geld verbraucht wird. Außerdem wäre damit zu rechnen, dass die älteren Geschwister nicht gut auf den Nachzügler zu sprechen sind.
Um das Kind abzusichern, sollten wir einen Vormund bestimmen, der sich um alles kümmert, und das Kind zum Soforterben bestimmen, mit einem Viertel. Mein Mann ist wirklich lieb. Er sagte, so ein kleiner Wurm hat das Geld nötiger als die Älteren, die schon im Beruf stehen und verdienen.
Ein Testament, das man gemeinsam aufgesetzt hat, kann man nur gemeinsam ändern. Der Notar wohnte in Mainz, weil wir da früher gelebt haben, bevor mein Mann in Rente ging und wir das Haus in Bad Nenndorf gekauft haben, wo die Preise günstiger sind. Also mussten wir nach Mainz. Morgens hin, abends zurück. Ich hatte noch ein bisschen Zeit bis zum Termin.
Als wir aus dem Zug gestiegen sind, spürte ich etwas. Ich weiß genau, wie es sich anfühlt, wenn es so weit ist. Bei meinem Mann habe ich davon nichts erwähnt. Sein Herz ist ja nun auch nicht mehr das beste. Ich dachte, den Notartermin schaffen wir noch. Das ziehen wir durch.
Wir fahren mit dem Taxi zum Notar. Wir gehen in das Büro, die Sekretärin schaut uns entgeistert an. Nein, wir stehen nicht im Terminkalender. Hat diese dumme Nuss sich doch im Termin geirrt und uns für den nächsten Tag eingetragen! Außerdem starrt sie mir auf den Bauch.
Ich sage: »Ja, schauen Sie ruhig. Und wenn Sie fertig geschaut haben, rufen Sie uns bitte ein neues Taxi.«
Jetzt dachte ich wieder, dass es noch ein bisschen dauern kann. Zurückzufahren habe ich für keine gute Idee gehalten. Dann würde es vielleicht im Zug passieren. Wir mussten einfach abwarten und dann ins Krankenhaus. Notfälle dürfen sie im Krankenhaus nicht ablehnen.
Der Wagen kommt, ein großer Mercedes, der Fahrer versteht kaum ein Wort Deutsch. Ich kann nicht begreifen, dass so jemand Chauffeur werden darf. Mein Mann sagt, dass wir eine gemütliche Herberge suchen, es dürfte ruhig etwas Besseres sein. Obwohl er sonst immer sehr sparsam ist, hat er das gesagt.
Das Wort »Herberge« hätte er besser nicht verwendet. Das hat der Taxifahrer nicht richtig verstanden. Er hat uns, immer seinem Mercedesstern hinterher, zur Jugendherberge gebracht, die in der Nähe des Rheinufers liegt, bei einem Park. Das sah erst mal hübsch aus. Wir steigen aus, mein Mann bezahlt, gibt ein schönes Trinkgeld, das Taxi fährt weg. Und da stehen wir.
In der Jugendherberge sagen sie, dass sie auch Ältere aufnehmen. Sie seien aber ausgebucht. In der Stadt sei im Moment schwer etwas zu kriegen, weil gerade ein großes Fest gefeiert werde, die Johannisnacht. Der junge Mann bietet an, uns ein neues Taxi zu rufen. Da ist man natürlich erst mal ratlos. Sollten wir auf gut Glück herumfahren und ein Hotel suchen?
In diesem Moment geht es los. Ich schaffe es gerade noch in den Schlafsaal der Herberge, lege mich unten in ein Stockbett, und nach zehn Minuten ist es geschafft. Meine dritte Geburt ging auch schnell, ich glaube, von Mal zu Mal wird es einfacher. Mein Mann hat versucht zu helfen, aber besonders nützlich ist er nicht gewesen. Er hat Schwierigkeiten, sich zu bücken, und außerdem Arthrose in den Fingern.
Dann sehe ich, dass die Frau aus meinem Traum an der Tür steht. Außerdem betreten drei Taxifahrer den Raum. Sie gratulieren uns in ihrem komischen Deutsch und sagen, dass einer von ihnen uns jetzt kostenlos ins Krankenhaus fährt. Die drei haben uns sogar Geschenke mitgebracht, jeder von ihnen eines. Der erste, ein Russe, hat uns eine Flasche selbst gemachten Wodka geschenkt, der Rest davon steht heute immer noch bei uns herum. Der zweite, ein Araber, hatte eines von diesen Palästinensertüchern dabei. Der dritte aber, ein Afrikaner mit Rastalocken, drehte eine Zigarette und sagte, da sei allerbestes Gras drin, damit würde ich sofort meine Schmerzen vergessen. Bei ihnen zu Hause würden die Frauen das bei der Geburt auch machen – gut, gut, kein Problem, hat er
Weitere Kostenlose Bücher