Freunde müssen töten - Thriller (German Edition)
Röntgenbilder ihres Kopfes schoben sich immer zwischen das journalistische Engagement.
„Ich habe übrigens auch wegen der verschwundenen Mädchen nachgeforscht. Es gibt ein abgängiges Mädchen, das aus Linz nicht mehr nach Bratislava zurückgekehrt ist. Jetzt raten Sie mal, für wen dieses Mädchen gearbeitet hat!“ Braun ließ sich in seinem Enthusiasmus nicht bremsen.
„Braun, worauf wollen Sie eigentlich hinaus? Ich habe jetzt nicht die geringste Lust auf Ratespiele!“ Kims Daumen schwebte über der roten Taste und sie war knapp davor, die Verbindung zu trennen, so sehr ging ihr im Augenblick Tony Braun auf die Nerven.
„Sie hat ebenfalls für Madonna Models gearbeitet und wurde für einen Event der Krell Holding hier in Linz gebucht. Was sagen Sie jetzt?“ Braun war in seinem Element, das konnte Kim ganz deutlich hören. „Ich brauche unbedingt alle Informationen, die Sie von Ihrer Informantin erhalten haben. Wann können wir uns treffen?“
Kim ging nicht auf die Frage ein, denn das alles war für sie nicht mehr sonderlich relevant.
„Alles, was Sie mir erzählen, Braun, klingt interessant. Aber ich bin jetzt nicht in der besten Verfassung. Vielleicht nehme ich mir Urlaub“, erwiderte Kim resigniert und sah bereits das türkisblaue Meer vor sich.
„Klingt interessant! Ist das alles, was Sie dazu zu sagen haben? Klingt interessant!“ Brauns Fassungslosigkeit war für Kim fast greifbar. „Sie wollen doch eine Story. Sie haben mir von den sieben verschwundenen Mädchen erzählt. Was soll das jetzt?“
Braun hatte natürlich Recht. Früher hätte sich Kim voller Elan in diese Story verbissen, doch jetzt hatte sie einfach keine Kraft mehr und auch keine Lust. Im schlimmsten Fall noch knapp zwei Monate zu leben! Das war ihre einzige Realität und nicht diese ganze deprimierende Scheiße, mit der Braun sie jetzt überschüttete.
„Braun, stopp! Das interessiert mich nicht! Mir geht es nicht gut! Verdammt, lassen Sie mich mit dieser Story doch einfach in Ruhe!“, fuhr sie daher jetzt auch mitten in sein hektisches Gerede und er schwieg verblüfft.
„Braun, hallo! Sind Sie noch dran?“, fragte Kim, als sie nichts mehr hörte.
„Ich dachte, Sie wollen mehr über das Schicksal dieser sieben verschwundenen Mädchen herausfinden? Herausfinden, was mit ihnen passiert ist. Sie vor dem Vergessen bewahren?“, hörte ihn Kim schließlich mehr zu sich selbst murmeln.
Vor dem Vergessen bewahren. Das war der Punkt. Nein, wenn die Geschichte stimmte, dann durften diese Mädchen nicht vergessen werden. Man musste sie vor dem Vergessen bewahren. Kim musste das tun. Zusammengesunken kauerte Kim auf der Bank in der Busstation.
Und wer bewahrt mich vor dem Vergessen, wenn ich tot bin?, dachte sie und ließ ihren Tränen wieder freien Lauf.
„Okay, Braun“, schniefte sie nach einiger Zeit ins Telefon. „Okay, Sie haben ja Recht. Treffen wir uns, aber nicht heute. Vielleicht erreiche ich meine Informantin. Dann melde ich mich!“
Kim stand auf und machte sich auf die Suche nach einem Taxi, was bei diesem Wetter ziemlich schwierig war.
33. Für Reue ist es jetzt zu spät
Um sich zu bestrafen, hatte Cordula Wagner, die Frau des Polizeipräsidenten, vor zehn Jahren aufgehört zu rauchen. Jetzt stand sie am bodentiefen Fenster ihres Wohnzimmers und blickte hinunter auf den Wasserfall, der sich unter ihrem auf dem steilen Hang weit vorspringenden Haus in ein Wasserbecken ergoss und von dort weiter auf die nächste Terrasse und in das nächste Becken, es war ein ständiges Fließen bis an das Ende ihres weitläufigen Grundstückes. Von ihrem Standort aus hatte man den Eindruck, als würde der Wasserfall wie ein silbernes Band mitten in die Stadt Linz hinunterstürzen.
In der Hand hielt Cordula Wagner eine Zigarette, die in den vergangenen zehn Jahren so ausgetrocknet war, dass der Tabak knisterte und das Papier schon ganz brüchig war. Als das goldene Feuerzeug endlich funktionierte, stieg eine Stichflamme aus der Zigarette und Cordula musste husten. Hinter sich hörte sie ein Geräusch, jemand hatte die Wohnhalle betreten, doch sie drehte sich nicht um.
„Du rauchst wieder?“, hörte sie die Stimme ihrer Zwillingsschwester. „Oh, oh, da muss ja etwas Schlimmes passiert sein.“
Cordula beobachtete einen großen schwarzen Wagen, der sich unten am Fuß des Pöstlingbergs langsam aus dem dichten Nebel schälte.
„Brigitta ist tot“, sagte sie schließlich gegen die Glasscheibe, drückte den Rücken
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