Freunde müssen töten - Thriller (German Edition)
klang als die der Frau in der Klinik. Vielleicht hatte er sich wirklich getäuscht. „Was möchten Sie wissen, Chefinspektor?“
„Nun, Ihr Mann hat vor seinem Zusammenbruch gesagt, dass Ihre Tochter vor zehn Jahren verschwunden ist.“ Braun machte eine kurze Pause und versuchte, im Gesicht von Cordula Wagner eine Regung zu erkennen, aber ihre Miene blieb ausdruckslos und starr.
„Das ist richtig. Brigitta hat vor zehn Jahren dieses Haus verlassen.“
„Verschwunden ist wohl präziser. Ihr Mann sprach ganz eindeutig davon, dass Ihre Tochter vor zehn Jahren verschwunden ist.“
„Wo ist da der Unterschied, Chefinspektor?“ Cordula Wagner presste ihre aufgespritzten Lippen so zusammen, dass sie an aufgeblähte Regenwürmer erinnerten. „Wie immer hat mein Mann übertrieben.“
„Lassen wir diese Spitzfindigkeiten“, lenkte Braun ein. „Ich konnte jedenfalls nichts in den Akten finden.“ Er kratzte sich den Dreitagebart. „Keine Vermisstenanzeige und auch kein polizeilicher Sucheinsatz. Wie erklären Sie sich das?“
„Da gibt es nicht viel zu erklären. Wir haben Brigitta nicht suchen lassen.“
„Sie haben was?“, fragte Braun. „Ihre sechzehnjährige Tochter verschwindet und Sie suchen sie nicht?“
„Was ist daran so merkwürdig?“, fauchte Cordula Wagner und ihre dicken Lippen verzerrten sich zu einem kalten Lächeln. „Wir wollten kein Aufsehen und auch nicht, dass unser Name in die Presse kommt!“
„Das ist doch eine komplette Scheiße!“, explodierte Braun und Cordula Wagner zuckte angewidert zurück, als hätte er eine ansteckende Krankheit. „Es hat Sie also nicht interessiert, wo Ihre Tochter geblieben ist?“
„Sie haben ja keine Ahnung, Sie Prolet!“, zischte Cordula Wagner und beugte sich hasserfüllt nach vorne. „Natürlich haben wir nach Brigitta gesucht, aber diskret mit einem Privatdetektiv.“ Dann nahm sie wieder Haltung an, setzte sich kerzengerade und zog ihren Rock über die Knie. „Aber er hat nichts herausgefunden!“
„Wie war der Name des Detektivs? War er aus Linz?“
„Hören Sie zu, Chefinspektor. Brigitta hat uns vor zehn Jahren verlassen. Glauben Sie, ich erinnere mich noch an jedes Detail? Glauben Sie wirklich, ich habe nichts Besseres zu tun, als mir den Namen eines schmierigen Privatdetektivs zu merken?“ Suchend sah sie sich um, dann verharrte ihr Blick auf einem silbernen Etui, das auf einem metallenen Tischchen lag.
„Es wird doch Unterlagen dieses Privatdetektivs geben, Rechnungen oder Berichte?“, fragte Braun, der ohnehin die Antwort kannte, sich aber von Cordula Wagner nicht weiter provozieren lassen wollte.
„Nicht das ich wüsste!“ Cordula Wagner stand auf, ging zu dem Metalltischchen und griff nach dem Etui. „Alles sollte doch diskret ablaufen, deshalb gab es auch keine Unterlagen.“
„Warum ist Ihre Tochter überhaupt verschwunden?“, wechselte Braun das Thema. „Was war der Grund?“
Cordula Wagner zuckte mit den Schultern.
„Ich habe keine Ahnung. Brigitta hat sich da etwas eingebildet, was so nicht stimmte!“
„Geht’s vielleicht ein bisschen genauer?“ Langsam, aber sicher verlor Braun die Geduld.
„Es geht nicht genauer, denn wir haben nie darüber geredet. Weder mein Mann noch ich wussten, was sie gemeint hat.“ Cordula Wagner machte eine Pause und öffnete das silberne Etui. Braun bemerkte, dass ihre Finger zitterten, als sie eine Zigarette herausnahm.
„Wann war dieses, wie Sie sagen, eingebildete Ereignis?“ Braun knackte mit den Fingerknöcheln.
Cordula Wagner zögerte, dann begann sie zu reden: „Da war Brigitta zehn Jahre alt und es war ihr Geburtstag. Wir haben mit vielen Freunden gefeiert. Plötzlich ist Brigitta heulend erschienen und hat wie am Spieß geschrien. Sie war schon immer etwas hysterisch und hat sich in Sachen hineingesteigert. Sie hat einen kompletten Unsinn erzählt. Brigitta hat sich damals sehr schlecht benommen!“ Um die Bedeutung ihrer Worte zu unterstreichen, klopfte sie mit der Zigarettenspitze mehrmals heftig auf den Tisch.
„Was war das denn für ein Unsinn, den sie erzählt hat?“, insistierte Braun, den fröstelte, als ihn Cordula Wagner völlig emotionslos ansah.
„Ein sehr bedeutender Gast hat sie angeblich auf den Schoß gehoben und sie unsittlich berührt! Das war natürlich alles frei erfunden, denn der Mann war angesehen und absolut integer. Außerdem ist mein Mann gerade vor einer Beförderung gestanden, da hätten wir einen Skandal nicht brauchen
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