Freundinnen wie diese - Koslow, S: Freundinnen wie diese
ließ ich mein Herz über meinen Verstand siegen. Da Toms akademische Bemühungen mit einer Gesamtsumme von null zum Familieneinkommen beitragen würden, mussten wir eben ohne dieses Geld auskommen. Was genau wir opfern würden, wusste ich noch nicht. Tom und ich hatten kein festes Budget, wir versuchten einfach nur, mit Stil zu sparen. Taxis und Broadway-Shows? Niemals. U-Bahn -Tickets und Abendbesuche im Brooklyn Museum? Da kamen wir der Sache schon näher. Wenn man mich in einem Secondhandshop stöbern lässt, kann ich mich mit einem solchen
je ne sais quoi
kleiden, dass skrupellose Fashion-Stylisten mich mit der Frage bestürmen, woher ich meine Klamotten habe. Essen gehen? Wir laden lieber Freunde nach Hause ein: macht zwar zehnmal so viel Arbeit, kostet aber nur ein Fünftel. Schnäppchenjagd im Schlussverkauf? Die Fisher-Wells-Olympiade!
Tom versuchte schon seit Jahren, seine Doktorarbeit zu beenden. Doch seit wir ein Kind hatten, kam er kaum noch dazu, weil er jetzt die Zeit, die er vorher in seine Forschungsarbeit gesteckt hatte, mit Henry verbrachte. Unser Kind war zwar unsere Spitzenaktie, aber eine, die unsere Ausgaben in die Höhe trieb. Die Organisation des Familienlebens war wirklich ein Problem für sich. Hätte ich nicht gearbeitet, hätte Tom Zeit genug zum Schreiben gehabt. Aber wir waren nun mal auf mein Gehalt angewiesen, das zudem noch das größere war, obwohl ich nur Teilzeit arbeitete.
Als Dr. Henry Thomas Wells würde Tom am College unterrichtenkönnen. »Der Titel ist eine Investition in die Zukunft«, sagte er oft. Nicht unbedingt eine solche wie der Kauf von Google-Aktien im Jahr 2004, aber es wäre das Ticket für die Art von Anstellung, die Tom wollte und auch verdiente. Er stand von seinem Stuhl auf, zog mich an sich und sagte Dankeschön mit seinen versierten Lippen.
Das Küssen führte zu mehr, und daran lag es dann, dass ich in dieser Nacht nur fünf Stunden schlief. Als ich am nächsten Morgen aufstand, sah ich Tom einen Augenblick an und wünschte, ich besäße die Dreistigkeit, zu sagen:
Hör auf, diesem Titel hinterherzurennen. Greif nach dem Geldjob. Es wird dich nicht umbringen, genauso hart wie all die anderen an der Wall Street zu arbeiten und deiner Frau die Last von den Schultern zu nehmen, die sich fühlt – falls du es noch nicht gemerkt haben solltest –, als würde sie mit einer Hand einen Lastkahn flussaufwärts ziehen.
Aber ich war dazu erzogen worden, das Richtige zu tun, und so sagte ich nichts dergleichen.
Ein Tag verging, dann noch einer. Tom und ich ergaben uns in das monatliche Ritual, zu entscheiden, welche Rechnungen wir sofort zahlten und welche wir noch liegen ließen. Agnes verlangte einen höheren Stundenlohn. Unsere Waschmaschine gab ihren Geist auf, was mich dazu zwang, unsere Kleider in die ziemlich weit entfernte Wäscherei zu schleppen. Eine alte Freundin vom College schickte eine dieser Kettenmails à la »Aufgepasst, das Leben ist keine Generalprobe«, die einem die schrecklichsten Konsequenzen androhten für den Fall, dass man sie ignorierte. Sie war zwar falsch an eine Maya Angelou adressiert, aber nichtsdestotrotz unheimlich. Ich entdeckte noch mehr graue Haare auf meinem Kopf.
Inzwischen blitzte mich jedes Mal, wenn ich meine Handtasche aufmachte, der giftgrüne Zettel an. Es war mir schon fast gelungen, mich davon zu überzeugen, dass June Rittenhouse nie angerufen hatte. Doch dann ging ich eines Abendsnoch schnell ans Telefon, als ich eigentlich schon aus dem Büro raus war. Wieder wollte sie Chloe sprechen.
»Oh, tut mir leid, aber Mrs Keaton hat sich beurlauben lassen«, sagte ich. »Wann sie zurück sein wird? Das weiß ich, ehrlich gesagt, leider nicht – es handelt sich um einen … Notfall in der Familie.« Dann holte ich einmal tief Luft, und noch einmal. Die Fiese Fiona knurrte schon:
Na los, sag’s!
»Hier spricht Talia Fisher-Wells – ich bin Mrs Keatons Kollegin, wir beide teilen uns unseren Job. Kann ich Ihnen vielleicht irgendwie helfen?«
June Rittenhouse gab mir einen Termin.
»Wenn Sie die Kindersachen waschen, benutzen Sie bitte das hier.« Jamyang sagte gar nichts, als ich den hantelschweren Waschmittelbehälter vom Regalbrett hob. »Es ist parfüm- und farbstofffrei«, erklärte ich und fügte noch hypoallergen, schadstoffgeprüft und biologisch abbaubar hinzu. Nun nickte Jamyang wenigstens, wobei ihr glänzendes Haar das Licht auffing, das durch das Fenster hereinfiel. »Haben Sie so eine
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