Freundinnen wie diese - Koslow, S: Freundinnen wie diese
einer Dachgaube mein Schreibtisch mit meinem Computer. »Ich habe einen Riesenfehler gemacht«, flüsterte ich, als ich Talia am Telefon hatte. »Ich habe vergessen, auch einen Übersetzer anzuheuern.«
»Bist du sicher, dass sie nicht bloß schüchtern ist?«
Ja, man sollte meinen, dass eine schüchterne Person eine andere erkennen würde. Ich hatte eine ganze Kindheit damit zugebracht, einfach nur zu lächeln. Meistens, weil ich Angst hatte, nicht zuletzt auch vor meiner Mutter. Aber wenn sie mir nicht eingetrichtert hätte, dass die Regel Nummer eins höflichen Verhaltens sei, ein Interesse an den anderen zu zeigen, dann hätte ich bis heute keinen einzigen Freund auf der Welt. Vielleicht war Jamyang schüchtern – aber vielleicht verurteilte sie mich auch. »Ich weiß nur, dass ich Dash noch nicht so bald mit ihr allein lassen kann. Es tut mir sehr leid, dass ich dich hängen lasse.«
»Du meinst, dass du mich
noch länger
hängen lässt?«, erwiderte Talia, obwohl sie eher amüsiert klang als wütend; einer der vielen Gründe, warum ich sie liebte. Von allen meinen Freunden ist sie diejenige, die immer die richtigen Worte für mich findet. Und ich glaube, sie macht das ganz instinktiv.
»Du bist wundervoll«, sagte ich zu ihr. »Ich werde es wiedergutmachen.«
Eine in Geschenkpapier gewickelte Gabe wartete sogar schon auf sie. Der Pullover, den ich ausgesucht hatte – rubinrot und aus kostbarem, dreifädigem Kaschmir –, war frage nicht wie teuer gewesen, ein Stück, das Talia sich selbst nie geleistet hätte. Doch mir machte es unglaublich viel Freude, für Freundinnen einzukaufen. Und für die anderen beiden hatte ich auch etwas. Wenn wir uns nächste Woche zum Abendessentrafen, würde Jules einen Roman bekommen, der in Rom spielte – falls wir nicht hinfuhren, konnte sie wenigstens darüber lesen; und für Quincy hatte ich eine alte Fotografie des Central Park, weil sie dort eine Wohnung gefunden hatte, von der sie ganz begeistert war.
»Beweg deinen Hintern aber bitte so bald wie möglich wieder hierher«, sagte Talia.
»Sind irgendwelche Nachrichten für mich gekommen?«, fragte ich, da wir im Büro als Anrufbeantworter der jeweils anderen fungierten.
Ich hörte, wie Talia auf ihrem Schreibtisch herumkramte. »Nicht viele«, erwiderte sie. Zu zwei Anrufen machte ich mir Notizen – bei dem einen ging es um ein Meeting eines Frauenhauses, in dessen Vorstand ich saß; und bei dem anderen handelte es sich um eine Beraterin, die Eltern durch den Irrsinn der Schulanmeldungen begleitete. Xander war mithilfe eines Stipendiums auf eine Privatschule und dann aufs College gegangen, und der Beruf, den diese Ausbildung ihm ermöglicht hatte, erlaubte ihm nun, Dash eine Privatschule zu finanzieren. Er wollte, dass wir die beste Schule herauspickten, ein Thema, das er fast jeden Tag anschnitt.
»Soll ich dir auch einen Überblick über das Meeting von heute Morgen geben?« Talia ging es Punkt für Punkt durch, und ich dachte, wie wenig mich all diese Details im Grunde doch interessierten. Es wunderte mich, dass niemandem meine mangelnde Begeisterung auffiel, niemandem außer Xander. Er, der erst nach einem Monat bemerkt hatte, dass meine Haare fünfzehn Zentimeter kürzer und um zwei Farbtöne heller waren, hatte schon mehr als einmal zu mir gesagt: »Dieser Job langweilt dich – warum bleibst du dort? Wir brauchen dein Gehalt nicht.« Wobei er es gerade noch zu vermeiden gewusst hatte, das Wort
Gehalt
mit dem Adjektiv
mickerig
zu versehen. In der dritten Woche meiner fieberhaften Suche nach einer Nanny hatte er dann ständig wiederholt: »Das istdoch lächerlich. Hör einfach auf zu arbeiten.« Aber wenn ich einfach aufgehört hätte zu arbeiten, hätte ich wahrscheinlich den ganzen Tag an Dash, dem Ärmsten, drangeklebt, der dann bald reif gewesen wäre für die Psychotherapie, und nicht für die Vorschule.
»Wenn ich aufhöre«, hatte ich zu Xander gesagt, »was soll ich dann deiner Ansicht nach tun? So eine Art Dilettantin werden?« Die Frau seines Chefs nennen wir nur Charlene die Châtelaine, so eingespannt wie sie ist mit Dressurreiten, dem Organisationskomitee der »MET Costume Institute Gala« und der Finanzkontrolle der wohltätigen Stiftungen ihres Ehemannes.
»Wie wäre es denn mit einer ehrenamtlichen Tätigkeit? Unsere Firma stellt schließlich genügend Organisationen Spendenschecks aus.«
»Möchtest du vielleicht, dass ich ein Praktikum in Zimbabwe mache?«
»Sarkasmus
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