Freundinnen wie diese - Koslow, S: Freundinnen wie diese
unzuverlässig
und
kindisch.
Aber Charlenes Frage war sowieso rein rhetorisch. Mit einem kaum merklichen Kopfnicken zitierte sie mehrere Stranddiener herbei, die uns mit zusätzlichen Handtüchern versorgten, mit extra starken Mojitos, einem zweiten Sonnenschirm und einer großen Platte voll Rohkostgemüse, das in Blütenform geschnitzt war. Charlene unterschrieb die Rechnung, zog dann den ›Economist‹ aus ihrer Chanel-Umhängetasche und begann zu lesen.
Mich überkam der Wunsch, zu Hause anzurufen. Inzwischen war es nach vier in New York und Dash vielleicht schon zurück von Henry Fisher-Wells’ Geburtstagsparty. Ich hatte Glück gehabt, denn die Reise war eine unangreifbare Ausrede, Dash nicht selbst auf die Party begleiten zu müssen. Stattdessen hatte er Jamyang und einen Kasten Bauklötze mit, die das logische und organisatorische sowie das mathematische und räumliche Denken anregten. Ich war wütend – rasend wütend! – auf Talia, wollte das aber nicht auf Henrys Rücken austragen. In den letzten drei Wochen hatte ich Talia nicht ein einziges Mal gesehen. Was die Arbeit betraf, kommunizierten wir strikt per Telefon, E-Mail und kurzen Notizen. Falls Talia den Verdacht hatte, dass irgendetwas nicht stimmte, so behielt sie es für sich. Aber wie sollte sie, sagte ich mir. Unser beider Leben war grundsätzlich ziemlich hektisch, da blieb unser Verhalten doch noch im Rahmen des Normalen.
Diese Benommenheit allerdings war alles andere als normal. Nach all den Mojitos bei diesen Temperaturen galoppierten winzige, teuflische
Charros
über meine Schläfen, und ihre Mitstreiter in meinem Magen schrien
Olé
, während sie immer schneller ritten. Ich unterdrückte eine aufkommende Übelkeit, schloss die Augen, zog mir den Sonnenhut in dieStirn und hoffte, das Gesumm in meinen Ohren stammte von irgendwelchen Insekten.
Ich kam erst wieder zu mir, als Charlene mich plötzlich am Arm rüttelte. »Chloe«, sagte sie. »Es ist fast zwei. Kommen Sie mit zum Lunch?«
Ich riss die Augen auf. Mir war etwas Spucke aus dem Mund gelaufen, und ich betete, dass Charlene es für Schweiß halten möge. Sie selbst sah taufrisch aus.
»Natürlich. Gehen wir essen!«, rief ich überwach. Dabei war mir die Vorstellung peinlich, Maizie May und ihren »Mädels« zum Lunch auf die Pelle zu rücken:
Das Beverly Hills Hotel – wir bieten Ihnen Glamour der Extraklasse, Demütigung inklusive.
Aber dank der wunderbaren Mojitos, die ich getrunken hatte, sagte ich: »Das wird sicher lustig!«
Charlene faltete penibel ihre Sonntagsausgabe der ›Times‹ zusammen, die Londoner natürlich, nahm den Hut ab, ohne ihren blonden Chignon durcheinanderzubringen, schlüpfte in ihren Kaftan und setzte den Hut dann wieder exakt so auf, wie es ihrem Gesicht am meisten schmeichelte. Als wir zu der hufeisenförmigen Sitzecke hinten an der Wand kamen, saß Maizie bereits da. Das Groupie zu ihrer Rechten stand auf, überließ Charlene den Ehrenplatz und rutschte dann wieder zu Charlene durch, gefolgt von einigen anderen jungen Mädchen, sodass mir die Plätze an den beiden äußeren Enden blieben – obwohl es sicher auch keiner gemerkt hätte, wenn ich einfach wieder gegangen wäre.
»Erzählen Sie doch mal, wie ein Mädchen aus Ocala es an die Spitze der Pop-Charts geschafft hat«, bat Charlene, als wäre sie aufrichtig interessiert gewesen. In den nächsten zehn Minuten erzählte Maizie, wie sie in einem Piggly-Wiggly-Supermarkt entdeckt worden war. Als Kassiererin dort besang sie die Einkäufe der Kunden immer mit einem Lied, und eines Tages stand zufällig ein Musikproduzent mit seiner Barbequesoße an ihrer Kasse. Maizie schilderte das alleserstaunlich lebhaft, obwohl sie die Geschichte sicher nicht zum ersten Mal erzählte. Und jedes ihrer ergebenen Groupies lachte in regelmäßigen Abständen laut auf oder rief: »Kein Scheiß, echt!«
Während wir alle an unseren Shrimp-Cocktails und Salaten knabberten, führte Charlene weiter das Gespräch. Die zwei Stars des Tisches entdeckten, dass sie beide ein Haus in der Nähe von Mazatlán besaßen, und plauderten darüber, wie sie die Party eines Señors fanden, den sie El Gigante nannten. Je länger sie redeten, desto deutlicher wurde, dass der Spitzname dieses Señors von einem gewissen intimen Anhängsel herrührte, das zu kennen Maizie sich rühmte. Ich hätte mich gern an dem Gespräch beteiligt, konnte gesellschaftlich aber in etwa so gut mithalten wie ein Bettler bei Bergdorf’s.
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