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Frevel im Beinhaus

Frevel im Beinhaus

Titel: Frevel im Beinhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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diese Leiche in eure Abortgrube gelangt?»
    Sie schluckte erneut. «Ich weiß es nicht.»
    «Und das Messer?»
    Sie hob kläglich die Schultern. «Neklas hat es neulich gesucht. Wir glaubten schon, man habe es ihm gestohlen.»
    «Gestohlen?»
    «Auf der Hinrichtung dieses Patriziers … van Bause», setzte sie hinzu, als sie sich an den Namen erinnerte. «Neklas musste dort anwesend sein, weil …»
    «Ich erinnere mich.»
    «Was sollen wir jetzt tun?», fragte Marie, die sich neben Adelina niederließ und ihr den Arm um die Schultern legte. «Wir müssen Neklas helfen. Er ist unschuldig!»
    Als Jupp nichts darauf antwortete, starrte sie ihn an. «Was ist los, Jupp? Er ist dein Freund!»
    «Das ist er», knurrte Jupp ungehalten und blickte sie finster an. «Das ist er wahrhaftig. Ich hab ihm weiß Gott mehr als einmal den Hals gerettet. Aber das hier …»
    «Was soll das heißen?» Nun starrte auch Adelina ihn an.
    Er blickte besorgt zurück. «Adelina, du weißt selbst, wie es um seine Vergangenheit bestellt ist. Wenn sie nur den zehnten Teil davon herausfinden – und das werden sie –, ist er verloren.»
    «Nein!»
    «Er war wegen Ketzerei, heimlicher Leichensektionen und Giftmischerei angeklagt.»
    «Mir hat er erzählt, dass das alles nur geschehenist, weil sie hinter seinem alchemistischen Wissen her waren.»
    Jupp sah sie ausdruckslos an. «Sicher war es so, aber glaubst du, das steht in den Gerichtsakten?»
    Adelina wurde blass. Sie erinnerte sich, dass Neklas ihr erzählt hatte, bei seiner Ankunft in Köln vor fast fünf Jahren habe ein Legat des Erzbischofs ihn höchstpersönlich empfangen, um ihm klarzumachen, dass er unter Beobachtung stünde.
    Jupp ließ sich auf ihrer anderen Seite nieder und nahm ihre schmale Hand zwischen seine riesigen Pranken. Sein wie immer sauber gestutzter Vollbart zitterte leicht. «Adelina, ich fürchte, dieses Mal hat er ein richtiges Problem.»
    Einen langen Moment war es totenstill in der Küche. Dann jedoch entzog Adelina Jupp mit einem heftigen Ruck ihre Hand und stand auf. Verzweiflung und Entschlossenheit zeichneten sich gleichermaßen auf ihrem Gesicht ab, als sie begann, auf und ab zu gehen. Schließlich blieb sie stehen und sah ihre beiden guten Freunde mit glühenden Augen an. «Es ist mir gleich, wie schlimm es steht. Neklas ist mein Mann. Ich lasse nicht zu, dass er unschuldig verurteilt wird. Ich weiß, dass er in der Vergangenheit Dinge getan hat, die …» Sie machte eine unbestimmte Geste mit der Hand. «Aber er hat diese Frau nicht umgebracht. Und das werde ich beweisen.»

8
    «Halt! Wohin wollt Ihr?» Der junge Soldat, den man ihr als Wolfram Stache vorgestellt hatte, stellte sich Adelina an der Hintertür in den Weg. Er war größer als sie und auch wesentlich kräftiger. Sein jungenhaftes Gesicht mit den ungebärdigen blonden Haaren ließ jedoch darauf schließen, dass er jünger als sie war. Dennoch wirkte er entschlossen.
    Sie blickte ihn finster an. «Ich gehe hinaus in den Hof, um zu sehen, wie weit die Goldgräber sind.»
    «Ihr braucht das nicht zu tun, Meisterin Burka. Die melden sich schon, wenn sie fertig sind.»
    Adelina kniff nur die Lippen zusammen und drängte sich an ihm vorbei nach draußen. Der Soldat fluchte leise und folgte ihr auf dem Fuße.
    Der Gestank, der Adelina entgegenschlug, war um einiges schlimmer als am Morgen. Vorsorglich hatte sie sich einen Ambra-Apfel aus ihrer Apotheke geholt, den sie sich nun dicht vor die Nase hielt. Der herbe Kräuterduft, der dem getränkten Schwamm in dem kugelförmigen, mit unzähligen kleinen Löchern versehenen hölzernen Behälter entströmte, nahm kurz den Kampf mit dem Gestank auf, verlor ihn jedoch, als sie näher an die Abortgrube herantrat. Sie blieb in sicherer Entfernung stehen, denn sie wollte nicht riskieren, von der stinkenden Brühe getroffen zu werden, die die Männer des Henkers Eimer für Eimer heraufzogen und in den riesigen Kübel leerten, der auf einem niedrigen Karren festgezurrt war. Jedes Mal, wenn der Kübel voll war, schob einer der Goldgräber den Karren fort, und wenig später tauchte ein anderer Mann mit einem neuen Karren im Hoftor auf.
    «Bleibt zurück, gute Frau», rief der Knecht, der mit dem Eimer und einer langen Stange hantierte. Adelina beobachtete ihn eine Weile aus sicherer Entfernung. Nicht nur wegen des Drecks verbot es sich, weiter vorzugehen, sie musste auch von den Männern Abstand halten, die in ihrer Funktion als Abortkehrer allesamt zu den unehrlichen

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