Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frevel im Beinhaus

Frevel im Beinhaus

Titel: Frevel im Beinhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
Vom Netzwerk:
anderes Buch …» Das Mädchen ging zielstrebig auf das Regal direkt neben der Tür zu und zog einen schweren Folianten hervor, den sie nur mit Mühe tragen konnte. Sie ließ ihn auf den Tisch fallen und klappte den Deckel auf. «Hier, Mutter. Das sind ganz ähnliche Bilder.»
    Adelina rappelte sich auf und ging ebenfalls zum Tisch hinüber. Im flackernden Schein von Kienspan und Öllampe starrte sie einigermaßen sprachlos auf eine Zeichnung, die der in dem dünnen Büchlein auffallend ähnelte. Lediglich der Badezuber war hier in Gold gehalten, und anstelle der Kronen trugen Sol und Luna etwas auf dem Kopf, das entfernt wie ein Heiligenschein mit Zacken aussah.
    «Das Buch hat ein Mann namens Villanova geschrieben», erklärte Griet. «Vater sagt, es kann sein, dass es demnächstauch verboten wird. Jedenfalls in manchen Gebieten des Reiches.»
    «Hat er gesagt.»
    «Ja, und dass er das nicht begreifen kann, weil die Versuchsbeschreibungen darin sowieso vollkommen unbrauchbar sind. Jedenfalls die in der zweiten Hälfte, weil da die Zugabe des gelben Elixiers nach der Freiwerdung des roten Steines empfohlen wird. Das geht aber gar nicht, weil ohne das gelbe Elixier gar kein roter Stein entstehen kann.»
    «O mein Gott.» Wieder verdrehte Adelina die Augen, diesmal kläglich.
    Griet hob alarmiert den Kopf und fasste sie am Arm. «Stimmt etwas nicht, Mutter? Geht es dir nicht gut?»
    «Nein, es geht mir nicht gut», antwortete Adelina matt. «Aber sprich nur weiter, ich kann ohnehin nichts mehr daran ändern.»
    «Woran ändern?»
    «An dieser Art von … Besessenheit. Dein Vater hat sie dir vererbt. Ich denke …» Sie hielt inne, als sie vor der Kellertreppe Schritte hörte. Rasch nahm sie den dünnen Lederband an sich. «Geh wieder nach oben, Griet», befahl sie leise. «Und kein Wort hierüber zu den anderen. Auch nicht zu Mira. Hast du mich verstanden?»
    Griet nickte ernst. «Natürlich nicht. Obwohl Mira weiß, dass Vater mir hier unten einiges gezeigt hat.»
    Adelina schüttelte vehement den Kopf. «Kind, hier geht es nicht um ein paar einfache Experimente. Ich fürchte … Kein Wort. Zu niemandem. Geh jetzt.»
    Griet klappte den Folianten zu und wuchtete ihn zurück in das Regal. Dann stieg sie rasch die Treppenstufen empor.
    Adelina wartete, bis sie sicher war, ganz allein zu sein, dann schob sie eilig das Büchlein zurück in das Versteck, schob den Stein an seinen Platz und stopfte die Ritzen, so gut es ging, mit Mörtelresten und Staub aus. Dann wuchtetesie die schwere Truhe wieder an ihren Platz und setzte sich schließlich schwer atmend darauf, um zu verschnaufen.
    Was hatte Neklas sich nur dabei gedacht, ausgerechnet Griet in seine alchemistischen Geheimnisse einzuweihen? Oder hatte sie ihn womöglich danach gefragt? Adelina konnte es sich kaum vorstellen. Griet war ein eher zurückhaltendes Mädchen, das selten von sich aus um etwas bat. Und nun stellte sich heraus, dass die beiden ganz offenbar ein Geheimnis vor ihr bewahrt hatten. In einem Anflug von Ärger presste Adelina die Lippen aufeinander. Warte nur, dachte sie bei sich. Wir sprechen uns noch. Jetzt fiel ihr wieder der Brief ein und weshalb sie ihn überhaupt aus dem Versteck geholt hatte. Gerade als sie aufstehen wollte, um wieder nach oben zu gehen, fiel ihr Blick auf den großen Ofen und die uralte, halb mit Holzscheiten gefüllte Eichenholzkiste daneben.
    Etwas hatte ihre Aufmerksamkeit erregt.

16
    Adelina blickte auf den unförmigen philosophischen Ofen und scharrte mit der Fußspitze in der dicken Staub- und Rußschicht, die sich um die Eisenplatte gebildet hatte, auf der der Ofen stand. Dann trat sie beiseite und tat das Gleiche bei der Holzkiste. Stirnrunzelnd ging sie einen Schritt zurück. Sie hatte immer gedacht, dass die Kiste ebenfalls auf der Eisenplatte stehe, doch offenbar war dem gar nicht so. Ihr Argwohn war geweckt, als sie unter der Staub- und Rußablagerung etwas entdeckte, das wie der Rand einer steinernen Einfassung aussah. Sie versuchte, die Kiste zu bewegen, wusste jedoch sofort, dass dies unmöglich war. Der Kasten hatte schon an dieser Stelle gestanden, als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war. Er war ebenso alt wie massiv – und noch dazu bis zur Hälfte mit Holzscheiten gefüllt.
    Adelina wollte sich bereits abwenden, doch der Stachel der Neugier steckte bereits zu tief in ihrem Fleisch. Seufzend begann sie, ein Scheit nach dem anderen aus der Kiste zu heben und neben sich aufzustapeln. Dabei zog sie sich

Weitere Kostenlose Bücher