Frevel im Beinhaus
hierherzukommen?»
21
Gedankenvoll tippte sich Greverode ans Kinn. «Das ist eine gute Frage, über die wir einmal nachdenken sollten», befand er. «Welchen Sinn sollte es haben, Euch erneut mit Anschuldigungen und Drohungen zu kommen; das hat er doch gestern schon zur Genüge getan – und mit hochrangiger Unterstützung noch dazu.» Er stand auf, ging ein paar Schritte durch den Raum. Schließlich nahm er den Weinkrug und ein paar Becher aus dem Regal und brachte alles zum Tisch. Nachdem er zu Adelinas Überraschung jedem von ihnen eingeschenkt hatte, ging er zum Ausguss und füllte einen weiteren Krug mit Wasser. Diesen stellte er vor den Mädchen ab, die ihren Wein nur stark verdünnt trinken durften. «Es wäre Zeitverschwendung gewesen», fuhr er in das allgemeine Schweigen hinein fort. «Es muss ihm klar gewesen sein, dass Ihr nicht auf ihn hören und ihn umgehend hinauswerfen würdet.»
Adelina stieß einen verächtlichen Laut aus. «Er hasst uns, ganz besonders Neklas. Deshalb lässt er sich keine Gelegenheit entgehen, auf uns herumzuhacken. Ich bin sicher, dass es ihm vollkommen gleich ist, ob ich …»
«Ah, ah, warte mal», unterbrach Ludmilla sie und kräuselte die Lippen. «Hauptmann Greverode hat recht. Wenn es Thomas nur darum gegangen wäre, dir Angst zu machen, hätte der gestrige Besuch ausgereicht. Er muss tatsächlich etwas anderes im Schilde geführt haben.»
«Und was?», wagte Mira zu fragen. «Was hat er denn überhaupt gesagt? Etwas von Teufeln und Dämonen?»
«Ja», bestätigte Ludmilla. «Aber das erscheint mir weniger wichtig. Viel interessanter finde ich, dass er zwar davonsprach, dass du umkehren und dich gegen das Böse wenden sollst, jedoch kein Wort mehr davon sagte, dass du dich von deinem Mann lossagen sollst.»
Adelina blickte sie überrascht an. «Das ist Haarspalterei, Ludmilla. Wir wissen doch genau, was er gemeint hat.»
«Wissen wir das wirklich?», wandte Greverode ein. «Ich komme langsam zu der Überzeugung, dass Thomasius uns etwas ganz anderes mitteilen wollte.»
«Und was soll das gewesen sein?», fragte Adelina zweifelnd.
«Nun, er sprach zunächst davon, dass er uns warnen wolle, und zwar, wenn mich nicht alles täuscht, vor weiteren Männern, die sich möglicherweise wie Neklas dem Teufel und ketzerischen Taten hingeben.»
«Neklas hat sich nicht dem Teufel verschrieben», fuhr Adelina auf.
Greverode warf ihr einen gereizten Blick zu. «Wäret Ihr wohl so gut, mich meinen Gedanken zu Ende spinnen zu lassen? Er warnte vor möglichen Mittätern. Also vermutet auch er, dass hier nicht ein Mann allein am Werke war. Vielleicht glaubt er, Ihr könntet wissen, um wen es sich handelt.»
«Wenn es so wäre, hätte ich längst etwas zu Reese gesagt.»
«Wie auch immer, er wollte uns möglicherweise warnen, vielleicht glaubt er, dass Ihr in Gefahr schwebt.»
Adelina hob verwundert die Brauen. «Natürlich schwebe ich in Gefahr. Immerhin will Vater Emilianus auch mich vor Gericht zerren.»
«Die zweite Warnung, die Thomasius aussprach», stimmte Greverode zu. «Aber das ist eine andere Sache, die wir erst einmal außer Acht lassen sollten. Wie ging es danach weiter?»
«Aber natürlich!», rief Ludmilla. «Er sagte etwas überdie Schustersfrau und das Werkzeug des Bösen, mit dem sie getötet wurde.»
«Das Messer», sagte Adelina. «Sie haben das Messer nie gefunden.»
«Es wäre ein gewichtiger Beweis gegen Magister Burka», fügte Greverode an. «Thomasius wollte uns womöglich genau darauf hinweisen. Sagte er nicht, dass auch Euch daran gelegen sein müsse, dieses Messer zu finden? Warum sollte es das, wenn es doch beweisen würde, dass Neklas den Mord begangen hat.»
Adelina richtete sich abrupt auf. «Nein, es hätte seine Schuld nur bewiesen, wenn es gleich bei ihm oder wenigstens bei der Leiche gefunden worden wäre. Aber es ist verschwunden. Nur die Messerscheide befand sich in der Abortgrube, und das beweist ja noch gar nichts.»
Greverode begann erneut mit den Fingern auf die Tischplatte zu trommeln. «Höchstens, dass jemand sie mit Absicht hineingeworfen hat, um den Verdacht auf Euren Mann zu lenken. Also wollte Thomasius uns vielleicht veranlassen, nach dem Messer zu suchen.»
«Das ist doch schon geschehen», widersprach Adelina. «Ihr habt das Haus durchsucht, den Hof, den Stall. Das Messer ist nicht hier.» Sie hielt inne und runzelte die Stirn. «Weshalb sollte Thomasius uns darauf bringen, wenn er selbst die ganze Zeit versucht, Neklas
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