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Frevel im Beinhaus

Frevel im Beinhaus

Titel: Frevel im Beinhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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Gefühle, die in ihr getobt hatten. Jetzt, nach einer durchwachten Nacht, fühlte sie sich zwar nicht viel wohler, hatte ihre Gedanken jedoch weitgehend geordnet und war zu dem Schluss gekommen, dass seine Behauptung, er sei ihr Bruder, der Wahrheit entsprach. Sie hatte seine Worte wieder und wieder mit dem verglichen, was sie von ihrer Mutter, ihrem Vater und ihren Großeltern wusste. Viel war es nicht, dennoch hatte sie genügend Übereinstimmungen gefunden, die belegten, dass er nicht gelogen hatte. Warum hätte er auch lügen sollen?
    Je länger sie darüber nachdachte, desto mehr verstand sie seine Feindseligkeit, seine Gemeinheiten, die unverschämte und verächtliche Art, mit der er sie seit ihrer ersten Begegnung behandelt hatte.
    Jene erste Begegnung – sie dachte noch heute mit Ingrimm daran – war schon fast fünf Jahre her. Er war damals noch ein einfacher Soldat gewesen und hatte sie wie eine Angeklagte aus der Apotheke abgeführt, um sie zu einer Befragung ins Rathaus zu bringen. Dort hatte er sie einfach in einem der Schreibzimmer eingeschlossen und stundenlang warten lassen.
    Solche und ähnliche Ereignisse hatten sich in den darauffolgenden Jahren mehrfach wiederholt. Erst seit jenem unglückseligen Tag vor drei Jahren, an dem bei einer Haussuchung einer von Greverodes Männern ihre Magd Franziska geschändet und obendrein ihren Vater derart heftig niedergeschlagen hatte, dass dieser sich das Genick brach, hatte Greverode sich zurückgezogen. Selten nur war sie ihm seither begegnet, und wenn, dann hatten sie einander meist ignoriert.
    Erst die schlimmen Geschehnisse der letzten Tage hatten das geändert. Adelina war sich sicher, dass er ihr niemals die Wahrheit gesagt hätte, wenn sie nicht derart in Bedrängnis geraten und er deswegen aus seiner feindseligen Haltung erwacht wäre. Er hatte sich ihr, wenn auch widerwillig, offenbart, und sie hatte das sichere Gefühl, dass er zu ihr stehen würde. Blut war offenbar doch dicker als Wasser, wie Ludmilla es so treffend beschrieben hatte.
    Das Frühstück verlief in der seit Tagen herrschenden gedrückten Stimmung. Danach gab Adelina den Mädchen zwar eine Aufgabe, aber sie merkte sehr wohl, dass die beiden nicht bei der Sache waren. Auch ihrem Gesinde schien allmählich die Decke auf den Kopf zu fallen. Niemand durfte ausgehen, es sei denn, Stache ging mit. Dass Jupp und Marie immer wieder Besuche erlaubt wurden, schob Adelina inzwischen auf die Nachsichtigkeit Greverodes.
    Jupp hatte angekündigt, er wolle erneut beim Rat vorsprechen und versuchen, Georg Reese zu treffen. Adelina überlegte gerade, wie sie es anstellen sollte, noch einmal zu Neklas vorgelassen zu werden, als sie von einem höchst unerwarteten Besucher überrascht wurde.
    «Meisterin Burka», sprach Greverode sie an, als er den Kopf zur Küchentür hereinstreckte. Er blickte sie vielsagend an. «Bruder Thomasius will Euch sprechen.»
    Adelina, die sich mangels einer anderen Beschäftigunggerade darangemacht hatte, einen Brotteig zu kneten, hielt inne und wischte sich ihre mehligen Hände an einem Leinentuch ab. Innerlich wappnete sie sich gegen sämtliche Anschuldigungen, mit denen der Dominikaner sie möglicherweise zu konfrontieren trachtete; äußerlich straffte sie lediglich die Schultern und bemühte sich, ganz ruhig zu wirken.
    Greverode ließ den Mönch eintreten und bezog dann seinen üblichen Posten neben der Tür.
    «Guten Tag, meine Tochter.» Thomasius blickte Adelina mit undurchdringlicher Miene an und warf, als er ihrer Tätigkeit gewahr wurde, einen verwunderten Blick auf die Teigschüssel. «Ihr backt?»
    Adelina legte das Leinentuch ordentlich über die Schüssel. «Mit etwas muss ich mich ja beschäftigen, da meine Apotheke dank Euch schon seit Tagen geschlossen bleiben muss.»
    «Nicht ich bin dafür verantwortlich», widersprach er. «Sondern die unglückseligen Umstände, in die Ihr durch die Verhaftung Eures Gemahls geraten seid.»
    «Ach.» Argwöhnisch musterte sie ihn. «Das sind ja ganz neue Töne. Gestern noch klangen Eure Worte vollkommen anders.»
    Thomasius verzog keine Miene. «Ich werde nichts von dem, was ich gesagt habe, zurücknehmen, wenn Ihr das meint», sagte er in hochfahrendem Ton. «Neklas Burka ist und bleibt ein Ketzer.»
    «Ihr wiederholt Euch», sagte Adelina gereizt. «Sagt endlich, was Ihr hier wollt, und dann verschwindet wieder.»
    «Gewiss, gewiss.» Thomasius neigte huldvoll den Kopf und brachte Adelina damit in Rage. «Ich bin hier,

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