Frevel im Beinhaus
ihn zur Tür. «Mach, dass du hinauskommst, du herzloser Bastard!»
Thomasius ließ sich von dem wesentlich kräftigeren Hauptmann ohne Protest hinausführen. Das Knallen der Haustür schallte laut durch das ganze Haus. Adelina sank augenblicklich in sich zusammen und ließ sich kraftlos auf der Ofenbank nieder. Tränen der Wut und Verzweiflung stiegen ihr in die Augen und ließen sich nicht zurückdrängen. «Dieser verfluchte Mistkerl», schluchzte sie. «Er ist einfach abscheulich! Warum kann er uns nicht in Ruhe lassen?» Ludmilla setzte sich rasch neben Adelina und tätschelte ihre Schulter. «Komm, komm, beruhige dich. Du kennst ihn doch. Thomas ist eine Plage, seit er aus dem Schoß unserer Mutter gekrochen ist. Du solltest dir seine Worte nicht so zu Herzen nehmen.»
Adelina hob den Kopf und blickte sie verständnislos an. «Wie sollte ich das denn nicht?», fragte sie aufgebracht. «Du weißt selbst, dass er es war, der Neklas angeklagt hat. Er ist schuld, weil er den Schöffen und diesem Vater Emilianus von Neklas’ Vergangenheit erzählt hat. Dabei ist er selbstkeinen Deut besser – nein, sogar viel schlimmer. Er will den Menschen immer nur schaden; Neklas hat wenigstens versucht, ihnen zu helfen.»
«Ich habe ihn an die Luft gesetzt», verkündete Greverode, als er wieder in die Küche kam. Beim Anblick von Adelinas Tränen zogen sich seine Augenbrauen zusammen. «Weinen wird dir jetzt nicht viel nützen», sagte er mit einem scheelen Blick auf Ludmilla. Ihm schien nicht wohl dabei zu sein, dass die alte Hebamme sein und Adelinas Geheimnis teilte, doch er hatte sich damit abgefunden. «Dieser Bastard scheint mit allen Wassern gewaschen zu sein.» Er rieb sich nachdenklich das Kinn. «Ich frage mich bloß, was ihn veranlasst hat, heute noch einmal hierherzukommen. Er muss gewusst haben, dass du allein bist. Wenn Meister Jupp und seine Frau hier gewesen wären oder vielleicht sogar Georg Reese, wäre er ganz sicher ferngeblieben.»
«Warum?» Adelina wischte sich mit dem Ärmel ihres Kleides über die Augen. «Wie meinst du das?»
Greverode lehnte sich gegen den Tisch und verschränkte die Arme vor der Brust. «Das weiß ich selbst noch nicht so genau. Er war aus einem bestimmten Grund hier, und seinem unangenehm zufriedenen Grinsen, als er fortging, konnte ich entnehmen, dass er erreicht hat, was er wollte.»
«Und was soll das sein?», fragte Ludmilla neugierig. «Mal abgesehen davon, dass er Adelina recht erfolgreich aufgeregt und unglücklich gemacht hat?»
«Ich sage doch, ich bin mir nicht sicher.» Nachdenklich starrte Greverode vor sich hin. Plötzlich hob er den Kopf. «Ist Euch aufgefallen, dass er etwas von Dämonen …»
«Mutter?» Mit einem unsicheren Blick trat Griet in die Küche. Hinter ihr drückte sich Mira herein. «Wir sind fertig mit der Salbe und wollten fragen …» Sie zögerte, schien dann aber Mut zu fassen. «Was wollte denn BruderThomasius hier? Wir haben dich schimpfen gehört, und da …»
Adelina seufzte. «Schon gut, Griet. Ihr könnt es ruhig wissen. Setzt Euch an den Tisch. Hauptmann Greverode wollte gerade etwas über Thomasius sagen, nicht wahr?»
Die Mädchen gehorchten und setzten sich auf ihre angestammten Plätze. Adelina und Greverode nahmen ihnen gegenüber Platz, auch Ludmilla kam dazu.
«Also, Hauptmann, was wolltet Ihr eben sagen?», wandte sich Adelina wieder an ihn.
Greverode klopfte unruhig mit den Fingern auf die Tischplatte. «Mir ist aufgefallen, dass Thomasius mehrmals von Dämonen und unheiligen Künsten sprach. Das kommt mir merkwürdig vor, denn bisher hieß es, Euer Gemahl habe diese Frau umgebracht, um irgendwelche Experimente an ihr durchzuführen.»
«Das muss nichts zu bedeuten haben», antwortete Ludmilla. «Mein Bruder liebt es, den Menschen mit Satan, Luzifer und höllischen Dämonen zu drohen.»
«Er wollte mir Angst machen», sagte Adelina dumpf. «Er weiß genau, wie ausweglos meine Situation ist, und macht sich einen Spaß daraus, seinen Finger in die offene Wunde zu legen. Vielleicht glaubt er sogar wirklich, dass er auf diese Weise meine Seele erretten kann.»
«Was das angeht, ist ihm wohl selbst nicht mehr zu helfen», fügte Ludmilla hinzu.
«Nein, nein.» Greverode schüttelte den Kopf. «Das ist etwas anderes. Ich glaube nicht, dass er Euch Angst machen oder drohen wollte.»
«Natürlich wollte er das», widersprach Adelina bitter. «Weshalb sollte er sich sonst die Mühe machen, ein weiteres Mal
Weitere Kostenlose Bücher