Frevel im Beinhaus
den Mord anzuhängen?»
Greverode nickte. «Genau diese Tatsache erscheint mir ebenfalls bemerkenswert.»
«Verzeihung, Mutter.» Unruhig rutschte Griet auf ihrem Platz hin und her. «Darf ich kurz hinausgehen?»
Zerstreut blickte Adelina ihre Stieftochter an, deren Gesicht äußerste Anspannung verriet. «Aber sicher, Kind. Geh nur.»
Griet sprang auf und verließ hastig die Küche.
Ludmilla blickte ihr aufmerksam nach. «Was ist mit dem Kind? Ist ihr die Aufregung auf den Magen geschlagen?»
In diesem Augenblick hörten sie jedoch nicht die Hintertür, sondern das leise Quietschen der Kellertür. Überrascht hoben alle die Köpfe und lauschten. Adelina erhob sich rasch. «Was tut sie denn da?» Sie ging zur Tür. «Ich sehe mal nach ihr.»
Schon auf der Kellertreppe vernahm Adelina ein deutliches Ratschen und Schleifen, das nur von einer der Truhen stammen konnte, die über den Boden geschoben wurde. Als sie das Laboratorium betrat, starrte sie erschrocken auf ihre Stieftochter, die gerade den Stein aus der Wand löste, mit dem das Geheimfach verschlossen wurde.
«Griet, was machst du?», rief sie leise.
Griet blickte nur kurz über ihre Schulter, hatte jedoch im nächsten Moment den Stein in der Hand und legte ihn beiseite. Ohne zu zögern, griff sie in die Öffnung und zog mehrere Bücher daraus hervor. Mit fliegenden Fingern stöberte sie darin, blätterte Seiten um und griff dann noch einmal in das Fach. «Hier ist es», verkündete sie schließlich triumphierend und hielt Adelina eines der Bücher hin.
«Was ist das?», wollte diese verständnislos wissen. «Und was hat das zu bedeuten, dass du einfach in diesem Geheimversteck herumwühlst? Wenn jemand …»
«Was geht hier vor?», kam von der Treppe her Greverodes Stimme.
Adelina verdrehte entsetzt die Augen. Fieberhaft überlegte sie, wie sie ihn zurückhalten könnte, doch da stand er bereits in der Tür und blickte aufmerksam von ihr zu Griet und dann zu der Öffnung in der Wand.
«Geheimnisse?», fragte er mit schneidender Stimme.
Adelina seufzte. «Jetzt wohl nicht mehr.» Sie wandte sich wieder zu Griet. «Sag mir sofort, was das zu bedeuten hat. Was willst du mit diesem Buch?»
Bereitwillig stand Griet auf und gab ihr den schmalen Lederband. «Schau, Mutter», sagte sie eifrig und schlug das Buch auf. «Es ist mir eingefallen, als Ihr eben von Teufeln und Dämonen und so gesprochen habt. Vater hat mir vor einer Weile die Bücher hier gezeigt und gesagt, dass sie …» Erschrocken hielt sie inne, als ihr bewusst wurde, dass Greverode anwesend war. Sie wurde rot.
«Dass sie was?», fragte er prompt.
Adelina seufzte. «Dass sie verboten sind», sagte sie und war sich gleichzeitig Griets bestürzter Miene bewusst. «Neklas sammelt diese Schriften.»
Greverode schüttelte leicht den Kopf. «Na sicher, was sonst», sagte er leise und wohl mehr zu sich selbst als zu ihr. Dann nahm er ihr das Büchlein ab und studierte es eingehend. «Und was hat es hiermit auf sich?», wandte er sich an Griet.
Das Mädchen zögerte und schien seine Stimme verloren zu haben. Erst als er streng die Augenbrauen hob, sagte sie: «Das ist ein Buch auf Latein.»
Seine Augenbrauen wanderten noch ein Stück höher. «Das sehe ich.»
«Vater sagt, es handelt von der Transmutation.»
«Wie beinahe alle seine Bücher.» Adelina wurde langsam ungeduldig.
«Ja genau», bestätigte Griet. «Aber dieses hier, so erklärte er mir, behandelt das Thema ganz anders als seine übrigen Bücher. Deshalb ist es auch … na ja, verboten, und deshalb darf es niemand sonst sehen.» Sie schluckte und fuhr dann fort: «Er sagt, da steht drin, wie man Dämonen herbeirufen kann, um ihre Kraft zu benutzen, wenn man Gold herstellen will.»
«Hat er das etwa selbst auch schon getan?», hakte Greverode nach.
Rasch schüttelte Griet den Kopf. «Nein! Er sagte, dass erdas für höllischen Unfug hält, weil die Transmutation nur bei Dingen funktioniert, die göttlicher Natur sind. Und Dämonen stammen doch aus der Hölle, also haben sie in einem Laboratorium nichts zu suchen.»
Adelina konnte nicht anders, beinahe hätte sie gelacht. Diese Argumentation war typisch für Neklas.
Griet fuhr eifrig fort: «Vater hat mir auch erzählt, dass es wirklich Männer gibt, die glauben, mit Hilfe des Teufels oder seiner Spießgesellen könnten sie schneller Erfolg haben. Sie zeichnen Kreise auf den Boden und führen ihre Versuche nur in deren Mitte durch, dann rufen sie die Dämonen und machen sie
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