Frevel: Roman (German Edition)
»Wir haben nichts gegen ihn in der Hand – absolut nichts! Und wenn die Königin ohne hieb- und stichfeste Beweise gegen die Howards vorgeht, werden die restlichen katholischen Adeligen eine geschlossene Front gegen sie bilden, was das Letzte ist, was wir brauchen können, solange es Botschafter gibt, die versuchen, sie zu einer gewaltsamen Rebellion anzustiften. Beim Blut Christi!« Er schlägt sich mit der Faust in die linke Handfläche und stapft wie ein Bär an einer Kette durch den Raum, während Sidney und ich ihn angespannt beobachten. »Ich kann John Dee nicht ewig vor den Folgen seiner eigenen Dummheit schützen!«, platzt er schließlich heraus. »Geister beschwören! Er lädt andere ja geradezu ein, ihn auszunutzen. Und wenn sich herausstellt, dass er einen Mörder in seinem Haus beherbergt hat …« Er reibt sich den Bart, holt tief Atem, dreht sich zu mir um und versucht, zu seiner üblichen Selbstbeherrschung zurückzufinden. »Bruno, zu welchem Schluss seid Ihr bislang gekommen?«
Mein Kopf fühlt sich noch immer an wie mit Watte gefüllt, Walsinghams Stimme scheint aus weiter Ferne an mein Ohr zu dringen, aber ich sammele meine Gedanken, so gut ich kann.
»Findet Ned Kelley«, ist das Beste, was ich hervorbringe. »Henry Howard, Philip Howard, die toten Mädchen – irgendwie hängt alles zusammen, doch nur Kelley kann die Verbindung herstellen.«
Walsingham sieht mich erwartungsvoll an, doch wiederum verschwimmt die Welt um mich herum, und ich muss mich gegen den Bettpfosten lehnen.
»Ich werde Männer ausschicken, um Kelley zu suchen.« Er richtet aufmerksam seinen Blick auf mich. »Und jemanden abstellen, um auf Jane Dee aufzupassen und zu verhindern, dass sie keinen weiteren unerwünschten Besuch mehr bekommt. John hat bislang wenig gesagt, nur geschworen, dass weder er noch Kelley mit den Morden zu tun haben. Jetzt verstehe ich auch, warum er sich nicht über die Art seiner Beziehung zu Kelley äußern will – allerdings muss ich ihn noch einmal über diese Zeichnungen befragen. Und ich werde diese Johanna holen lassen und sie verhören, wenn ich gerade dabei bin. Was Euch betrifft, Bruno – Ihr seid noch einmal glimpflich davongekommen, und ich mache mir Vorwürfe, weil ich Euch erlaubt habe, dieser Sache allein nachzugehen.Ihr braucht jetzt Ruhe.«
»Ich muss in die Botschaft zurück«, entfährt es mir erschrocken, und ich stehe zu schnell auf, woraufhin mein Kopf erneut protestiert. »Man betrachtet mich dort ohnehin schon mit Misstrauen – ich kann nicht einfach über Nacht wegbleiben. Wie spät ist es?«
»Neun«, erwidert Sidney. »Du bleibst besser hier, alter Freund – so, wie du aussiehst, jagst du dem Botschafter eine Todesangst ein.«
»Bruno hat Recht.« Walsingham tritt näher, um meine Wunde im Kerzenschein zu untersuchen. »Seine Position in Salisbury Court ist für uns jetzt von elementarer Bedeutung. Ich werde Euch zum Fluss zurückbringen lassen. Behauptet einfach, Ihr wärt überfallen worden, weil Ihr Ausländer seid.«
»Das wäre auch nicht das erste Mal.« Wieder berühre ich mein Auge. Mein Kopf fühlt sich an wie ein Ballon. Mit einiger Anstrengung bleibe ich auf meinen wackeligen Beinen und warte darauf, dass die Übelkeit vergeht.
»Bruno.« Walsingham legt mir väterlich eine Hand auf die Schulter. »Ihr habt heute Abend mit Eurer gewohnten Mischung aus Mut und Unvorsicht gehandelt. Diese Papiere wären für uns Gold wert gewesen, und ich bedauere ihren Verlust genauso wie Ihr. Indes, ich würde es noch mehr bedauern, wenn wir ihretwegen Euch verloren hätten. Ich möchte, dass Ihr von nun an Eure Nachforschungen in Salisbury Court einschränkt. Tragt eine Waffe bei Euch, und wenn Ihr längere Wege zurücklegen oder Botschaften überbringen müsst, lasst Euch begleiten. Wendet Euch an Fowler – ich habe Euch doch gesagt, Ihr sollt zusammenarbeiten. Ihr streift nicht mehr im Dunkeln im Land umher und versucht, alles allein zu tun – capisce ?«
Ich nicke unter Schmerzen.
»Gut.« Sein Lächeln hält nur einen Augenblick lang an. »Ich werde für ein Boot sorgen und bis Whitehall mit Euch kommen. Unter Umständen kann ich Dee ja doch noch überreden, sich mir anzuvertrauen.« Er schreitet zur Tür und dreht sich dann noch einmal zu mir um. »Glaubt Ihr, es ist etwas Wahres daran, Bruno? An diesen Versuchen, mit Geistern zu kommunizieren, meine ich? In Paris hieß es, Ihr verstündet etwas von dieser Kunst.«
Ich blinzele, bis ich seine Züge deutlich
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