Frevel: Roman (German Edition)
zurückbekommen?«
»Ich trage ihn jedenfalls nicht«, wirft Courcelles rasch ein. »Außerdem wird er sich vermutlich im Boot übergeben.«
Es folgt eine geflüsterte Beratschlagung; ich widerstehe der Versuchung, ein Auge wieder ganz zu öffnen. Endlich meint Philip:
»Es hilft nichts – er muss hierbleiben und seinen Rausch ausschlafen. Platz haben wir genug. Er kann morgen zur Botschaft zurücklaufen, wenn es ihm wieder besser geht.«
Im Geiste stoße ich einen kleinen Triumphschrei aus.
»Fast könnte er mir leidtun, der arme Narr«, knurrt Howard. Zwar kann ich die Geringschätzung auf seinem Gesicht nicht sehen, mir dafür aber umso lebhafter vorstellen. »Er hat sich und dem Botschafter Schande bereitet. Das war mit Sicherheit das letzte Mal, dass ihm irgendwelche Verantwortung übertragen worden ist. Der Mann bildet sich ein, unangreifbar zu sein, nur weil er hoch in König Henris Gunst steht.«
»Das wird ihn nicht mehr viel länger schützen.« Mendozas Stimme trieft vor Hohn.
»Schschtt, Onkel – er könnte dich hören«, zischt Philip zugleich.
»Der? Der bekommt gar nichts mehr mit. Irgendwer soll ihn nach oben bringen. Fowler – Ihr wirkt zumindest noch nüchtern. Wärt Ihr so gut?«
Stühleknarren ertönt, gefolgt von einem knirschenden Geräusch, als jemand in die Glasscherben rund um meinen Stuhl tritt. Ich spüre, wie sich starke Arme um meinen Oberkörper schlingen.
»Kommt schon, hier könnt Ihr nicht bleiben«, sagt Fowler sanft, als er mich auf die Füße zieht und meinen schlaffen Arm fast liebevoll um seine Schultern legt. Henry Howard steht – das bemerke ich, als ich es wage, meine Augen einen winzigen Spaltbreit zu öffnen – mit verschränkten Armen und zusammengepressten Lippen da; die Verkörperung missbilligender Frömmigkeit. Dessen ungeachtet hat Henry Howard seine ganz eigenen Schwächen, und heute Nacht gedenke ich seine Geheimnisse zu enthüllen und Beweise dafür zu sichern.
»Howard«, faucht Mendoza, und durch meine halb geschlossenen Lider sehe ich, wie er abrupt zur Tür deutet.
Indem ich durch die Wimpern hindurch die Schritte von meinen und Fowlers Füßen verfolge, merke ich mir den Rückweg zu dem Korridor mit dem Esszimmer, sowie ich einen Gang entlang und eine Treppenflucht hochgeschleift werde. Philip Howard geht mit einer Kerze in der Hand vor uns her, um uns den Weg zu weisen, während ich mich auf Fowlers Schultern stütze und mich halb zu einem Raum tragen lasse, wo ich auf ein Bett gelegt werde.
»Glaubt Ihr, er erholt sich wieder?«, fragt Philip nervös von der Tür her.
»Nach ein paar Stunden Schlaf ist er wieder ganz der Alte.« Fowler setzt sich neben mich auf das Bett und zieht mir nacheinander die Stiefel aus. »Ein Krug guten Weins hat noch niemanden umgebracht.« Er rollt mich auf die Seite, ohne dass ich mich selbst bewege. »Stellt ihm lieber ein Nachtgeschirr hin, falls er aufwacht«, rät er dann sachlich.
Es folgt ein leises Schlurfen, Schritte ertönen im Gang, und zu guter Letzt stellt jemand – vermutlich der Earl selbst – einen Topf neben das Bett. Ich darf jetzt als sicher voraussetzen, nie wieder eine Einladung von den Howards zu erhalten.
»Keine Sorge – ich kümmere mich darum, dass er es bequem hat«, sagt Fowler. Der Earl murmelt etwas, und auf der anderen Seite des Raumes höre ich Schritte verklingen. Ich halte es für das Beste, mich weiterhin bewusstlos zu stellen. Fowler beugt sich über das Bett und legt mir eine Hand auf die Schulter.
»Eine beeindruckende Vorstellung, Bruno«, flüstert er. Sein Mund berührt fast mein Ohr. »Und gefährlich. Was wollt Ihr denn damit erreichen?«
Ich schlage die Augen auf und stelle fest, dass sein Gesicht ganz nah vor dem meinen schwebt; jeder unbeteiligte Beobachter würde denken, er wollte mich küssen.
»Mich auf die Suche begeben und sehen, was ich finden kann«, wispere ich. Er betrachtet mich, und im Kerzenschein kann ich die Zweifel auf seinem Gesicht erkennen; er findet wohl, dass ich mich unnötig in Gefahr begeben habe. Verdruss steigt in mir auf. Fowler ist in diesem ganzen Unternehmen zwar sozusagen mein Partner, aber es steht ihm nicht zu, mir Verhaltensmaßregeln zu erteilen oder meine Methoden zu kritisieren.
»Diese Liste von Häfen wäre von unschätzbarem Wert für uns«, raunt er endlich. »Howard hat sie freilich mitgenommen – Ihr könnt davon ausgehen, dass er sie an einem sicheren Ort verwahrt. Und Ihr könntet alles verderben, wenn Ihr ertappt
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