Frevelopfer
Fischereibetriebe, kam mittags nach Hause, aß sein Essen und legte sich anschließend aufs Sofa, um die Nachrichten zu hören, die aus Rücksicht auf die Bedürfnisse der Familienversorger immer erst um zwanzig nach zwölf begannen. Die Erkennungsmelodie setzte ein, wenn er den letzten Bissen gegessen und sich hingelegt hatte.
Mittags kochte ihre Mutter entweder Fisch, oder sie bereitete Frikadellen oder falschen Hasen zu. Manchmal mit Kartoffelpüree, aber meist gab es zu jedem Essen Pellkartoffeln. Was abends auf den Tisch kam, war für jeden Wochentag im Voraus festgelegt, und immer war ihre Mutter für das Essen zuständig. Samstags gab es Salzfisch, den sie in einem Zuber in der Waschküche wässerte, und zwar in dem gleichen, den ihr Mann für seine Fußbäder benutzte. Noch heute aß Elínborg Salzfisch nur, wenn es sich nicht umgehen ließ. Sonntags kam ein Braten auf den Tisch, entweder Lammkeule oder Lammrücken mit in Zucker gebräunten Kartoffeln. Die braune Soße wurde aus dem Bratensud gemacht. Manchmal gab es stattdessen Lammkeulensteaks. Wenn es gebratenes Fleisch gab, bestanden die Beilagen immer aus Rotkohl und Erbsen. Salzfleisch mit gekochten Steckrüben und Pferdemettwurst in holländischer Soße konnten an jedem Wochentag dazwischengeschoben werden, aber das war nicht oft der Fall. Montags war immer Fischtag, es sei denn, es gab genügend Fleischreste vom Sonntag; dann wurde der Fisch auf den Dienstag verschoben. Er wurde fast immer paniert und gebraten. Dazu gab es zerlassene Margarine und Mayonnaise. Mittwochs war Dörrfisch an der Reihe, der Elínborgs Erinnerung zufolge ungenießbar war. Auch mit reichlich Griebenschmalz ließ sich sein Geschmack nicht mildern. Er wurde so lange gekocht, bis die Fenster in der Küche beschlugen. Mittwochs konnte es auch Rogen und Leber vom Kabeljau geben, was zumindest eine Abwechslung war. Die Haut um den Rogen war allerdings nicht sehr appetitlich, und die Leber rührte Elínborg überhaupt nicht an. Den Donnerstag nutzte Elínborgs Mutter oft zu Experimenten. An einem denkwürdigen Donnerstag kostete Elínborg zum ersten Mal in ihrem Leben butterweich gekochte Makkaroni. Sie fand sie vollkommen geschmacklos, auch wenn der Ketchup die Sache etwas besser machte. Freitags gab es gewöhnlich panierte Koteletts, entweder vom Lamm oder vom Schwein, und dazu zerlassene Margarine, wie zum panierten Fisch.
Dieses Essen bestimmte in Elínborgs Jugend eine Woche nach der anderen, und die Wochen wurden zu Monaten und Jahren. Abweichungen von der Regel gab es kaum. Ganz selten, vielleicht alle zwei Jahre einmal, wurde beschlossen, etwas Fertiges zu kaufen. Dann kam ihr Vater mit wunderschön dekorierten Sandwiches nach Hause – geräuchertes Lammfleisch auf Malzbrot oder Garnelen auf Weißbrot. Elínborg war neunzehn, als das erste gebratene Hähnchen mit Pommes frites ins Haus kam, ein überaus denkwürdiger Tag. Es hatte ihr nicht sonderlich geschmeckt, und ihre Eltern kauften so etwas nie wieder. Es machte ihr Spaß, in Büchern über Essen zu lesen, und häufig war das Einzige, an was sie sich bei Jugendbüchern oder Romanen erinnerte, Schilderungen von Gerichten oder deren Zubereitung, zum Beispiel Obstkompott oder gebratener Speck. Der Tag, an dem sie von geschmolzenem Käse las, war ihr noch lebhaft in Erinnerung. Sie hatte geraume Zeit gebraucht, um zu begreifen, dass man mit Käse etwas überbacken konnte. Ihr wäre nie eingefallen, dass Käse zu etwas anderem gut sein könnte, als ihn aus dem Kühlschrank zu holen und Brote damit zu belegen.
Sehr zum Kummer ihrer Mutter hatte Elínborg ihre Probleme mit so manchem Essen. Ihrer Mutter waren lange Kochzeiten heilig, sie fand Essen nur genießbar, wenn es vollständig durchgekocht war. Einen in Scheiben geschnittenen Schellfisch ließ sie geschlagene fünfundzwanzig Minuten im heißen Wasser. Elínborg kämpfte ständig mit den Gräten und hatte eine panische Angst davor, am Küchentisch zu ersticken. Das Fett an den panierten Lammkoteletts mochte sie nicht, und das graue Fleisch war ihrer Meinung nach völlig geschmacklos. In Zucker gebräunte Kartoffeln fand sie ungenießbar, und Lammleber in Zwiebelsoße zu essen, konnte sie sich nicht vorstellen. Leber stand dienstags auf dem Speiseplan, wenn ihre Mutter nicht zur Abwechslung Herz und Nieren kochte. Eingeweide waren Elínborgs Meinung nach keine menschenwürdige Nahrung.
Elínborg überraschte es nicht, als ihr Vater mit etwas über sechzig einen
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