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Frevelopfer

Frevelopfer

Titel: Frevelopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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Schlaganfall bekam, den er aber überlebte. Ihre Eltern lebten immer noch in ihrem Haus. Sie hatten inzwischen beide aufgehört zu arbeiten, waren einigermaßen rüstig und brauchten keine Hilfe. Ihre Mutter kochte immer noch Dörrfisch, bis man nicht mehr zum Fenster hinausschauen konnte.
    Sehr zum Kummer ihrer Mutter aß Elínborg längst nicht alles. Als feststand, dass Elínborgs Vorbehalte gegen das häusliche Essen nicht verschwinden würden, und sie sich selbst in der Küche betätigen wollte, ließen ihre Eltern sie gewähren. Und so begann sie, von dem, was ihre Mutter eingekauft hatte, für sich selbst etwas herzurichten. Ihr wurde ein Stück Fisch oder ein Teil der Koteletts oder des Fischpuddings zugeteilt, und sie durfte sich daraus etwas nach ihrem eigenen Geschmack zubereiten. Ihr Interesse fürs Kochen war erwacht. Sie wünschte sich zu Weihnachten und zum Geburtstag immer Kochbücher, sie trat Rezeptclubs bei und las alles, was in den Zeitungen über Kochkunst geschrieben wurde. Sie hatte keinerlei Ambitionen, Köchin zu werden, sie wollte sich nur etwas zu essen kochen, was sie nicht ungenießbar fand.
    Als sie bei ihren Eltern auszog, hatte sie die Essgewohnheiten in ihrer Familie entscheidend beeinflusst. Einiges andere hatte sich aber ohne ihr Zutun geändert. Ihr Vater kam inzwischen nicht mehr mittags zum Essen nach Hause, um sich anschließend auf dem Sofa die Nachrichten anzuhören, denn ihre Mutter hatte angefangen zu arbeiten. Sie kam abends todmüde nach Hause und war heilfroh, dass Elínborg gern kochte. Sie arbeitete in einem Lebensmittelgeschäft, wo den ganzen Tag viel los war. Wenn sie abends nach Hause kam, legte sie sich mit ihren geschwollenen Beinen erst einmal in die Badewanne. Sie war jetzt fröhlicher als früher, denn sie war immer gern unter Menschen gewesen. Elínborg machte ihr Abitur und mietete sich eine kleine Kellerwohnung. Im darauffolgenden Sommer arbeitete sie bei der Polizei; ein Onkel hatte ihr diesen Sommerjob besorgt. Sie entschloss sich, Geologie zu studieren. Während der Zeit am Gymnasium hatte es ihr Spaß gemacht, gemeinsam mit Freunden das Land zu entdecken, und ihre Freundin, die sich leidenschaftlich für Geologie interessierte, hatte sie überredet, sich mit ihr für dieses Fach einzuschreiben. Zu Beginn war Elínborg begeistert, aber als sie ihr Studium drei Jahre später beendete, war ihr klar, dass sie nicht in diesem Berufsfeld arbeiten wollte.
    Elínborg beobachtete Theodóra beim Lernen und überlegte, was wohl einmal aus dem Mädchen werden würde. Sie interessierte sich für Naturwissenschaften, vor allem für Physik und Chemie, und sprach davon, dass sie diese Fächer studieren wollte, und zwar möglichst im Ausland.
    »Bloggst du, Theodóra?«, fragte Elínborg.
    »Nein.«
    »Du bist vielleicht zu jung.«
    »Nein, das ist es nicht, ich finde es einfach albern. Es wäre doch verrückt, alles herauszuposaunen, was ich mache, sage und denke. Das geht niemanden etwas an. Ich habe kein Interesse daran, das im Internet zu verbreiten.«
    »Komisch, wie weit manche dort gehen.«
    Theodóra sah von ihrem Buch hoch.
    »Hast du dir die Blogseite von Valþór angeschaut?«
    »Ich wusste gar nicht, dass er eine hat, ich hab sie rein zufällig entdeckt.«
    »Der schreibt doch totalen Quatsch«, erklärte Theodóra. »Ich hab ihm gesagt, dass ich nicht will, dass er da über mich schreibt.«
    »Und?«
    »Er sagt, ich sei blöd.«
    »Kennst du diese Mädchen, über die er schreibt?«
    »Nein. Mir sagt er nie etwas. Er erzählt der ganzen Welt etwas über sich, aber mit mir redet er nie. Und ich hab’s schon lange aufgegeben, mit ihm zu reden.«
    »Ob ich ihm sagen soll, dass ich auf seine Blogseite gegangen bin?«
    »Sag ihm auf jeden Fall, dass er aufhören soll, über uns zu schreiben. Er schreibt auch über dich und Papa, wusstest du das? Eigentlich hätte ich gern mit dir darüber geredet, aber ich wollte nicht petzen.«
    »Wie siehst du das, spioniere ich ihm nach, wenn ich mir das ansehe?«
    »Wirst du es ihm sagen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Dann spionierst du ihm vielleicht nach. Ich habe das monatelang mitverfolgt, und dann bin ich wegen irgendwas ausgerastet, was er über uns geschrieben hat, und hab ihm meine Meinung gesagt. Er hat geschrieben, ich wäre eine total langweilige Streberin. Keine Ahnung, warum er das im Internet verbreitet, wenn man seinen Quatsch gar nicht lesen darf, ohne dass er einen beschuldigt, ihm

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