Frevelopfer
ganzen Tag vor dem Computer«, sagte sie müde. Elínborg nickte verständnisvoll und musste an Valþór denken.
Als Lóa erfuhr, dass es um Runólfur ging, wunderte sie sich nicht mehr über den Besuch der Kriminalpolizei. Sie hatte natürlich die Nachrichten verfolgt und erinnerte sich an den Telefontechniker, der bei ihnen den dsl -Anschluss installiert hatte. Sie konnte es kaum glauben, dass er auf diese gewaltsame Weise ums Leben gekommen war.
»Wie kann man jemandem die Kehle durchschneiden?«, flüsterte sie.
Elínborg zuckte mit den Achseln. Lóa hatte ihr auf Anhieb gefallen. Sie schien spontan und geradeheraus zu sein, und was sie sagte, kam von Herzen. Man sah ihr an, dass sie einiges im Leben durchgemacht hatte, aber sich anscheinend nicht unterkriegen ließ. Ihr hübsches Lächeln ging bis in die Augen und machte sie sympathisch und interessant.
»Der arme Mann«, sagte Lóa.
»Kiddi, ist das …«
»Mein Sohn. Er hat mir schon seit einem Jahr mit dem dsl -Anschluss in den Ohren gelegen, deswegen habe ich mich endlich dazu aufgerafft. Ich bereue es auch überhaupt nicht, es ist ein ganz anderes Leben mit diesem kabellosen Anschluss. Kiddi meinte erst, er würde das alles selbst hinkriegen, aber das ging natürlich in die Hose. Dann habe ich bei denen angerufen, und sie haben diesen Mann geschickt.«
»Ich verstehe«, sagte Elínborg.
»Aber was habe ich sonst damit zu tun?«, fragte Lóa. »Weshalb fragt ihr mich nach ihm? Habe ich etwas …«
»Wir sammeln Informationen bei Leuten, die in irgendeiner Form Kontakt zu ihm hatten«, sagte Elínborg. »Wir wissen nicht viel über Runólfur oder darüber, was an diesem Tag passiert ist. Wir müssen uns irgendwie ein Bild von ihm machen. Er kam vom Land und hatte nicht viele Freunde in der Stadt, eigentlich nur Arbeitskollegen. Andere Bekannte gibt es kaum.«
»Aber, ich meine, ich kannte den Mann doch überhaupt nicht. Er ist nur hierhergekommen und hat sich um den Anschluss gekümmert.«
»Ja, ich weiß. Welchen Eindruck hattest du von ihm?«
»Einen ganz guten. Er kam nach fünf, als ich mit der Arbeit fertig war, genau wie du, und dann hat er uns den Netzanschluss eingerichtet. Er hat nicht lange dazu gebraucht. Und dann ist er gegangen.«
»Und er ist nur dieses eine Mal gekommen?«
»Nein, er kam am nächsten Tag noch einmal wieder oder vielleicht auch zwei Tage später, weil er irgendwas vergessen hatte. Einen Schraubenzieher, glaube ich. Da hat er sich dann nicht so beeilt.«
»Habt ihr euch unterhalten?«
»Ja, ein bisschen. Er war sehr freundlich. Ein netter Zeitgenosse. Er hat mir erzählt, dass er ins Fitnessstudio geht.«
»Gehst du auch in das Studio? Kannte er dich vielleicht daher?«
»Nein, er kannte mich überhaupt nicht. Mit Fitness habe ich nichts am Hut, und das habe ich ihm auch gesagt. Irgendwann habe ich mir mal voller Optimismus ein Jahresabo gekauft, aber schon nach ein paar Wochen hab ich aufgegeben. Er sagte, dass Aufgeben nicht sein Ding sei, das käme für ihn nicht infrage.«
»Hattest du den Eindruck, dass er etwas von dir gewollt hat?«, fragte Elínborg. »Hat er etwas in der Art zu dir gesagt?«
»Nein, nichts dergleichen. Er war einfach ganz sympathisch.«
»Das sagen alle über ihn. Überall machte er einen sehr guten Eindruck.«
Ein knappes Lächeln huschte über Elínborgs Gesicht. Hier ist wohl nichts zu holen, dachte sie und wollte sich gerade verabschieden, doch dann hatte Lóa doch noch eine Überraschung für sie auf Lager.
»Später hab ich ihn noch mal in der Stadt getroffen«, sagte sie.
»Tatsächlich?«
»Ich war abends aus, und da tauchte er auf einmal in dem Lokal auf und sprach mich an, als wären wir alte Freunde oder so etwas. Er war gut drauf und wollte mich zu einem Drink einladen. Wirklich reizend.«
»Habt ihr euch zufällig da getroffen?«
»Ja, rein zufällig.«
»Wusste er, dass du dort sein würdest?«
»Nein, auf keinen Fall. Es war ein purer Zufall.«
»Und was geschah dann?«
»Gar nichts. Wir haben uns unterhalten und weiter nichts.«
»Warst du allein unterwegs?«
»Ja.«
»Niemand war bei dir?«
»Nein.«
»Als ihr euch hier bei dir zu Hause unterhalten habt, hast du ihm da erzählt, wo du am liebsten hingehst, wenn du abends ausgehst? Welches deine Lieblingslokale sind oder irgendetwas in der Art?«
Lóa überlegte eine Weile. »Darüber haben wir geredet, aber nur ganz kurz. Ich habe das aber nie mit unserem Wiedersehen in Verbindung gebracht. Moment
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