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Frevelopfer

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Titel: Frevelopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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abgebrochen. Er meldet sich kaum noch. Mit dir redet er gar nicht. Findest du das normal?«
    »Birkir war in einem schwierigen Alter, genau wie du jetzt. Willst du damit sagen, dass es ganz und gar meine Schuld ist? Er ist hoffentlich inzwischen wieder etwas vernünftiger geworden.«
    »Er hat gesagt, er hätte nie das Gefühl gehabt, einer von uns gewesen zu sein.«
    Elínborg war wie vom Donner gerührt. »Was sagst du da?«
    »Birkir hat es gespürt.«
    »Er hat was gespürt?«
    »Du bist zu ihm nie so gewesen wie zu uns. Er hatte immer das Gefühl, dass er hier im Weg war. Als wäre er nur ein Gast im eigenen Zuhause.«
    »Hat Birkir das wirklich gesagt? Mit mir hat er nie darüber gesprochen.«
    »Glaubst du echt, dass er darüber mit dir geredet hätte? Er hat es mir gesagt, als er auszog. Und er hat mir verboten, darüber zu reden.«
    »Das hat er sich nur eingebildet. Er hat kein Recht, so zu reden.«
    »Er kann sagen, was er will.«
    »Valþór, du weißt ganz genau, dass Birkir immer zur Familie gehört hat. Ich weiß, dass es sehr schwierig für ihn war, seine Mutter zu verlieren. Es war nicht einfach, zu uns zu ziehen und bei seinem Onkel und mir zu wohnen, mich kannte er ja so gut wie gar nicht. Und dann seid ihr Kinder gekommen. Ich habe seine Lage immer gut verstanden und mich darum bemüht, dass er sich hier wohlfühlte. Wir haben nie einen Unterschied zwischen ihm und euch gemacht, er war immer wie eines von unseren Kindern. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie mich das trifft, dass er so über uns redet.«
    »Ich wünschte, er wäre nicht gegangen«, sagte Valþór.
    »Ich auch«, sagte Elínborg.
    Sie sah auf den Wecker: 02:47.
    Wieder versuchte sie, rückwärtszuzählen: 9999, 9998.
    Den Schlaf konnte sie wahrhaftig dringend gebrauchen.
    Konráð führte sie wie am Tag zuvor ins Wohnzimmer. Er hinkte vor ihr her und wirkte durchaus ruhig und gelassen. Elínborg war wieder allein gekommen, sie erwartete nicht, dass er Schwierigkeiten machen würde. Sie war im Büro aufgehalten worden, weil die Ergebnisse der dna -Untersuchung von den Haaren aus dem Tuch und denen auf Runólfurs Bett eingetroffen waren.
    »Meines Wissens habe ich dir gestern alles gesagt, was ich weiß«, sagte Konráð, als sie sich im Wohnzimmer niedergelassen hatten.
    »Wir bekommen ständig neue Informationen«, sagte Elínborg. »Vielleicht sollte ich dir zuerst von einem Mann erzählen, der …«
    »Kann ich dir einen Kaffee anbieten?«
    »Nein danke.«
    »Bestimmt nicht?«
    »Nein. Ich möchte dir von dem Mann erzählen, der ermordet wurde«, sagte sie.
    Konráð nickte. Er legte das kranke Bein auf einen Fußschemel und lauschte dem, was Elínborg zu sagen hatte.
    Sie informierte ihn über die Fakten, die bei den bisherigen Ermittlungen ans Licht gekommen waren. Runólfur war vor rund dreißig Jahren in einem Fischerdorf zur Welt gekommen. Seine Mutter lebte noch, doch sein Vater war vor einigen Jahren bei einem Unfall ums Leben gekommen. Dieses Dorf lag sozusagen in seinen letzten Zügen. Die jungen Leute zogen weg, und auch Runólfur hatte sich bei der ersten Gelegenheit abgesetzt. Die Verbindung zu seiner Mutter war nicht gut gewesen, sie war sehr dominant und hatte den Sohn streng erzogen. Selbst wenn er in der Gegend war, hatte er sie kaum je besucht. Er ging nach Reykjavík, machte eine Ausbildung und begann anschließend, als Telefontechniker zu arbeiten. Er hatte nie eine Familie gegründet und nie geheiratet. Der einzige Kontakt zu Frauen schien in Kurzbekanntschaften zu bestehen. Er lebte zur Miete, und zwar nie lange am gleichen Ort. In seinem Beruf kam er ständig mit Menschen in Kontakt, sowohl in Privatwohnungen als auch in Firmen, und überall war er gut gelitten und galt als tüchtig und zuverlässig. Er schien eine Vorliebe für Superhelden aus Comics und für die entsprechenden Filme zu haben, über andere Interessen war wenig bekannt.
    Konráð hörte Elínborg schweigend zu, und sie überlegte, ob er sich wohl denken konnte, warum sie ihm das alles erzählte. Er hätte fragen können: »Und was geht mich das an?«, aber das tat er nicht. Er schwieg und lauschte mit gerunzelter Stirn. Elínborg fuhr mit ihrem Bericht über Runólfur fort.
    »Wir nehmen an, dass er später einige der Frauen wiedergetroffen hat, die er als Angestellter des Telefonanbieters in ihren Wohnungen besucht hatte, und zwar in diesen und jenen Vergnügungslokalen in Reykjavík. Ein solcher Fall ist uns bekannt. Vielleicht hatten

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