Frevelopfer
die Frauen eines gemeinsam, nämlich dass sie jung, alleinstehend und dunkelhaarig waren. Vielleicht hat er sie rein zufällig in diesen Lokalen getroffen, doch in einem Fall, von dem die Polizei weiß, hatte er vorher herausgefunden, welche Lokale die betreffende Frau am liebsten besuchte.«
Runólfur hatte sich die Vergewaltigungsdroge Rohypnol besorgt, sie war in seiner Jackentasche gefunden worden. Die Kriminalpolizei hatte gewisse Hinweise darauf, wie er an die Droge herangekommen war, und die Wahrscheinlichkeit war groß, dass er in der Nacht, als er starb, mit einer jungen, dunkelhaarigen Frau zusammengewesen war. Sie hatte ein Schultertuch bei ihm hinterlassen.
Heute früh waren bei der Kriminalpolizei die Ergebnisse einer dna -Untersuchung eingegangen, die zeigten, dass die Haare an diesem Tuch mit denen, die man in Runólfurs Bett gefunden hatte, übereinstimmten.
»Das Tuch habe ich dabei«, sagte Elínborg. Sie öffnete ihre Tasche, holte das Tuch heraus und breitete es aus. »Es ist wunderschön, und anfangs ging ein starker Duft von ihm aus, der aber jetzt nachgelassen hat. Indische Küche. Tandoori.«
Konráð gab keinen Laut von sich.
»Wir glauben zu wissen, dass eine junge Frau bei Runólfur war, als er ermordet wurde. Wir gehen davon aus, dass er sie auf dieselbe Weise kennengelernt hat wie die anderen, die er angeblich ganz zufällig in irgendeiner Kneipe wiedergetroffen hat. Er war vorher bereits in ihren Wohnungen gewesen, um dort einen Telefonanschluss zu installieren, den Fernseher anzuschließen, das Wireless- lan oder die Netzverbindung in Ordnung zu bringen – oder wozu auch immer solche Telefontechniker gerufen werden. Möglicherweise ist er kurze Zeit später noch einmal wiedergekommen, unter dem Vorwand, dass er irgendetwas vergessen hatte, einen Schraubenzieher vielleicht oder eine Taschenlampe. Er wirkte wie ein sehr angenehmer und umgänglicher Mensch, machte stets einen guten Eindruck, und deswegen fiel es ihm leicht, mit Menschen wie dieser jungen Frau ins Gespräch zu kommen. Zwischen ihnen bestand kein großer Altersunterschied. Sie haben sich über alles Mögliche unterhalten, wobei er es darauf anlegte, ihr bestimmte Informationen zu entlocken. Sie hat ihm davon erzählt, welche Lokale sie besuchte, wenn sie ausging. Er fand auch heraus, dass sie keinen Partner hatte, allein lebte und an der Universität studierte. Deswegen war es einfach für ihn, sie anzusprechen, als er sie in dem Lokal wiedertraf. Sie waren beinahe so etwas wie Bekannte.«
»Ich weiß nicht, weshalb du mir das alles erzählst«, sagte Konráð jetzt. »Ich kann nicht sehen, was das mit mir zu tun hat.«
»Nein«, sagte Elínborg. »Das kann ich verstehen, aber ich wollte es dir trotzdem sagen. Wir haben da ein paar Anhaltspunkte, zu denen ich dich befragen möchte. Runólfur hat die Frau dazu gebracht, mit ihm nach Hause zu gehen. In seiner Tasche hatte er eine Vergewaltigungsdroge, und höchstwahrscheinlich hat er ihr bereits in dem Lokal heimlich etwas ins Glas getan. Möglich wäre aber auch, dass er das erst getan hat, als sie in seiner Wohnung waren.«
Elínborg betrachtete das Abiturfoto von Konráðs Tochter, das sie sich auch tags zuvor angesehen hatte.
»Wir wissen nicht, was in seiner Wohnung passiert ist«, sagte sie. »Wir wissen nur, dass Runólfur ermordet wurde und dass die junge Frau, die bei ihm war, verschwunden ist.«
»Ich verstehe«, sagte Konráð.
»Kommt dir irgendetwas an dieser Geschichte bekannt vor?«
»Ich habe dir bereits gesagt, dass ich nichts bemerkt habe, als ich dort unterwegs war. Tut mir leid.«
»Wie alt ist deine Tochter?«
»Sie ist achtundzwanzig.«
»Sie lebt allein?«
»Sie hat eine Mietwohnung in der Nähe der Universität. Wieso fragst du nach ihr?«
»Interessiert sie sich für indische Küche?«
»Sie interessiert sich für vieles«, sagte Konráð.
»Kennst du dieses Tuch?«, fragte Elínborg. »Du darfst es gern anfassen, wenn du möchtest.«
»Nicht nötig«, antwortete Konráð. »Ich kenne es nicht. Ich habe es noch nie gesehen.«
»Es roch anfangs sehr stark nach Tandoori, den Geruch erkannte ich sofort, weil ich mich selbst für asiatische Küche interessiere. Ich habe zwei Tandoori-Töpfe, die ich viel verwende. Er ist einfach unentbehrlich. Besitzt deine Tochter einen solchen Topf?«
»Ich weiß es nicht.«
»Wir wissen aber, dass du vor nicht allzu langer Zeit einen solchen Topf gekauft hast. Ich kann dir sogar die Quittung
Weitere Kostenlose Bücher