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Frevelopfer

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Titel: Frevelopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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und ich mache mir Sorgen.«
    Erlendur hatte sich nicht von Elínborg oder Sigurður Óli verabschiedet. Im Dezernat hatten sie erfahren, dass er Urlaub genommen hatte. Kurz vor seiner Reise hatte er die sterblichen Überreste einer Frau und eines Mannes gefunden, die seit einem Vierteljahrhundert verschollen waren. Sie wussten ebenfalls, dass er privat in einem Fall ermittelt hatte, bei dem sich herausgestellt hatte, dass es völlig zwecklos war, Strafanzeige zu erstatten.
    »Vielleicht möchte Erlendur einfach nur seine Ruhe haben«, sagte Elínborg. »Zwei Wochen sind ja auch keine lange Zeit, wenn er wirklich Urlaub machen wollte. Er hat in letzter Zeit viel um die Ohren gehabt.«
    »Vielleicht. Entweder hat er sein Handy abgestellt, oder er ist irgendwo, wo es kein Netz gibt.«
    »Er wird schon wieder auftauchen«, sagte Elínborg. »Er hat auch früher schon mal Urlaub gemacht, ohne von sich hören zu lassen.«
    »Das ist gut zu wissen. Könntest du ihm vielleicht ausrichten, dass ich nach ihm gefragt habe, falls du von ihm hörst?«

Sechsundzwanzig
    Theodóra schlief noch nicht. Sie machte Platz in ihrem Bett, damit Elínborg sich zu ihr legen konnte, und so lagen sie eine ganze Weile nebeneinander. Elínborg ging der Gedanke an Lilja nicht aus dem Kopf, die aus Akranes verschwunden war, ohne dass man irgendeine Spur von ihr gefunden hatte. Sie dachte auch an die junge Frau vom Nýbýlavegur, die sich in ihrer Verzweiflung abkapselte. Sie sah Nína vor sich, der beim Verhör die Tränen gekommen waren, sah die Szene vor sich, wie sie Runólfur mit dem Messer die Kehle durchschnitt.
    Es war still im ganzen Haus. Die Jungen waren nicht zu Hause, und Teddi war noch mit der Buchhaltung für seine Werkstatt beschäftigt.
    »Mach dir nicht so viele Gedanken«, sagte Theodóra, die spürte, dass ihre Mutter unruhig, müde und geistesabwesend war. »Jedenfalls nicht über uns. Wir wissen, dass du manchmal sehr viel arbeiten musst. Mach dir wegen uns keine Gedanken.«
    Elínborg lächelte. »Ich glaube, niemand hat ein lieberes Töchterlein als ich«, sagte sie.
    Sie schwiegen. Draußen war es windiger geworden, und der Wind heulte vor dem Fenster. Der Herbst musste dem Regiment des Winters weichen, der dunkel und kalt auf seine Zeit gewartet hatte.
    »Was haben wir dir eingeschärft, was du niemals tun darfst?«, fragte Elínborg. »Niemals?«
    »Zu unbekannten Leuten ins Auto steigen«, antwortete Theodóra.
    »Richtig«, sagte Elínborg.
    »Und keine Ausnahmen«, fuhr Theodóra fort, als hätte sie diese Rolle seit Langem für ihre Mutter auswendig gelernt. »Egal, was sie sagen, egal, ob Mann oder Frau. Niemals zu unbekannten Leuten ins Auto steigen.«
    »Es ist hässlich, so etwas zu sagen …«
    Theodóra hatte das schon so oft gehört, dass sie den Satz für Elínborg beenden konnte.
    »… denn meistens sind unbekannte Leute ganz normale Menschen, aber es gibt immer wieder welche, die alles kaputt machen. Deswegen darfst du nie zu Unbekannten ins Auto steigen. Nicht einmal, wenn sie sagen, dass sie von der Polizei sind.«
    »Sehr gut, mein Liebes«, sagte Elínborg.
    »Arbeitest du an so einem Fall?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Elínborg. »Möglicherweise.«
    »Ist jemand in ein fremdes Auto eingestiegen?«
    »Ich möchte dir am liebsten nicht von den Dingen erzählen, mit denen ich im Augenblick beschäftigt bin«, sagte Elínborg. »Manchmal möchte man einfach nicht über die Arbeit sprechen, wenn man nach Hause kommt.«
    »Ich hab in der Zeitung gelesen, dass zwei im Gefängnis sind, irgendein Mann und seine Tochter.«
    »Ja.«
    »Wie hast du sie gefunden?«
    »Mit der Nase«, sagte Elínborg lächelnd und tippte mit dem Zeigefinger an ihre Nase. »Man könnte sagen, ich habe sie richtiggehend erschnüffelt. Die Tochter liebt Tandoori, genau wie ich.«
    »Riecht es dann bei ihr zu Hause genauso wie bei uns?«
    »Ja, ganz ähnlich.«
    »Bist du in Gefahr gewesen?«
    »Nein, Theodóra, ich war überhaupt nicht in Gefahr. Diese Leute sind nicht so. Wie oft soll ich dir das noch sagen? Kriminalpolizisten sind selten in großer Gefahr.«
    »Aber in der Innenstadt fallen sie doch ständig über die Polizei her.«
    »Das sind Rowdys und verkrachte Existenzen«, sagte Elínborg. »Darüber solltest du dir nicht den Kopf zerbrechen.«
    Theodóra überlegte eine Weile. Ihre Mama hatte schon bei der Polizei gearbeitet, als sie selbst noch nicht auf der Welt war. Sie wusste nicht sehr viel über ihre Arbeit,

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