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Frevelopfer

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Titel: Frevelopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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kann mir vorstellen, dass die Anwohner nicht begeistert sind.«
    »Nein, ganz sicher nicht.«
    »Kennst du sie gut?«
    »So ziemlich.«
    »Ich kam gerade hier vorbei und hatte irgendwie das Gefühl, ich kenne den Mann da in dem gelben Haus mit dem Baum. Weißt du vielleicht, wie er heißt?«
    »Meinst du Eðvarð?«, fragte der Mann.
    »Eðvarð, ja, das passt«, sagte Elínborg, als hätte sie gerade die Antwort auf eine Frage bekommen, mit der sie sich schon eine Zeit lang herumgequält hatte. »Das ist er. Ich hab irgendwann einmal mit ihm zusammengearbeitet«, sagte sie.
    »Tatsächlich?«
    »Unterrichtet er immer noch, oder …«
    »Ja, er ist Lehrer an irgendeinem Gymnasium, ich weiß aber nicht mehr, an welchem.«
    »Wir haben seinerzeit zusammen im Hamrahlíð-Gymnasium unterrichtet«, sagte Elínborg, die es bedauerte, den Mann so anlügen zu müssen. Sie wollte sich aber nicht als Angehörige der Kriminalpolizei zu erkennen geben oder in irgendeiner Weise zu verstehen geben, dass sie Eðvarð unter Verdacht hatte. Das würde sich sehr schnell herumsprechen und bald auch bis zu seinen Ohren vordringen.
    »Ja, ich verstehe«, sagte der Mann. »Von dem sieht man nicht viel. Er ist gern für sich. Man nimmt ihn eigentlich kaum wahr.«
    »Das kommt mir bekannt vor. Er gibt sich gern etwas mysteriös. Wohnt er schon lange hier?«
    »Ich glaube, er ist vor etwa zehn Jahren hierhergezogen. Da studierte er noch.«
    »Und da konnte er sich so ein Haus leisten?«
    »Dazu kann ich nichts sagen«, sagte der Mann. »Ich erinnere mich dunkel, dass er bis vor einigen Jahren immer ein Zimmer vermietet hat. Vielleicht hat das etwas geholfen.«
    »Ja, das hat er einmal erwähnt«, log Elínborg. »Ich meine auch, dass er mal eine Zeit lang in Akranes unterrichtet hat.«
    »Ja, das stimmt.«
    »Ist er da jeden Tag hin- und hergefahren?«
    »Das ist er. Damals hatte er schon dieses Auto, das ist aber jetzt eine ziemliche Klapperkiste. Aber wie gesagt, ich bin nicht näher mit Eðvarð bekannt, auch wenn wir Nachbarn sind. Wir kennen uns einfach. Ich kann nicht viel über ihn sagen.«
    »Ist er immer noch unverheiratet?«, fragte Elínborg.
    »Ja. Mit Frauen spielt sich bei Eðvarð nicht sonderlich viel ab. Zumindest habe ich davon nichts bemerkt.«
    »Fürs Ausgehen war er nie sonderlich zu haben, als ich ihn kannte.«
    »Und dabei ist es geblieben. Ich habe nie bemerkt, dass am Wochenende Leute bei ihm ein- und ausgegangen wären oder dass ihn überhaupt jemand besucht hätte. Er ist ein ausgesprochener Einzelgänger.«
    »Viel Glück mit dem Chrysler«, sagte Elínborg. »Wirklich ein toller Wagen.«
    »Ja«, sagte der Mann, »das ist ein Wahnsinnsschlitten.«
    Als Elínborg zu Hause vorfuhr, klingelte ihr Handy. Sie stellte den Motor ab und schaute aufs Display. Sie kannte die Nummer nicht und hatte eigentlich keine Lust dranzugehen. Es war ein langer Tag gewesen, und sie sehnte sich nach ein paar friedlichen Stunden zu Hause. Sie sah auf die Nummer und versuchte, sich zu erinnern. Ihre Kinder benutzten manchmal ihr Handy, und dann konnte es vorkommen, dass Freunde von ihnen sie während der Arbeit anriefen. Sie fand das Klingeln unerträglich, doch sie wollte das Telefon nicht ausschalten und entschied sich dafür zu antworten.
    »Guten Abend«, sagte eine weibliche Stimme am anderen Ende der Leitung. »Spreche ich mit Elínborg?«
    »Ja«, antwortete Elínborg kurz angebunden.
    »Entschuldige, dass ich dich einfach so anrufe.«
    »Ist schon in Ordnung. Wer spricht?«
    »Wir sind uns noch nie begegnet«, sagte die Frau. »Ich mache mir ein bisschen Sorgen, obwohl dazu vielleicht kein Grund besteht. Er weiß sich schon zu helfen, und er liebt ja das Alleinsein.«
    »Mit wem spreche ich eigentlich?«
    »Ich heiße Valgerður«, sagte die Frau. »Ich glaube, wir sind uns noch nie begegnet.«
    »Valgerður?«
    »Ich bin mit Erlendur befreundet, deinem Kollegen. Ich habe versucht, Sigurður Óli zu erreichen, aber er antwortet nicht.«
    »Nein«, sagte Elínborg. »Er kannte vermutlich die Nummer nicht und wollte nicht antworten. Ist etwas passiert?«
    »Nein, das nicht. Ich würde nur gern wissen, ob Erlendur sich inzwischen mal bei euch gemeldet hat. Er ist vor Kurzem in die Ostfjorde gefahren, und ich habe seitdem nichts von ihm gehört.«
    »Ich habe auch nichts von Erlendur gehört«, sagte Elínborg. »Wie lange ist das her?«
    »Bald zwei Wochen. Davor hatte er einen sehr schwierigen Fall, der ihn sehr mitgenommen hat,

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