Frevelopfer
durchgezogen, meine Liebe«, sagte Sigurður Óli. »Ich hätte nie geglaubt, dass dein indisches Zeug den Fall lösen würde.«
»Wir sehen uns morgen.«
Elínborg brach das Gespräch ab. Gedankenverloren griff sie nach Teddis Jacke, um sie in die Garage zu bringen. Der starke Geruch aus der Werkstatt hatte sich in der ganzen Diele ausgebreitet, es stank nach Reifen und Schmieröl. Teddi war immer sehr darauf bedacht, nicht in Arbeitskleidung ins Haus zu kommen. Wahrscheinlich hatte er es aus Freude darüber, dass sie zu Hause war, einfach vergessen. Sie hatte ihn oft ermahnt, wenn er seine Jacke versehentlich mit in die Diele genommen hatte, und Teddi wollte genau wie sie ein Zuhause ohne Gerüche aus der Werkstatt haben. Sie hängte die Jacke in der Garage auf und ging zurück in die Küche.
»Wer war das?«, fragte Teddi.
»Sigurður Óli. Es liegt ein Geständnis vor«, antwortete Elínborg. »Es geht um den Þingholt-Fall.«
»Na, denn«, sagte Teddi, der immer noch die ungeöffnete Rotweinflasche in der Hand hielt. »Ich wusste nicht, ob es sich lohnen würde, sie zu öffnen.«
»Mach sie ruhig auf«, sagte Elínborg, doch in ihrer Stimme war keine Freude. »Du hast übrigens deine Jacke in der Diele vergessen.«
»Ach, ich hab mich so beeilt. Warum bist du so nörgelig? Ist der Fall nicht gelöst?«
Er zog den Korken mit einem lauten Plopp aus der Flasche. Teddi schenkte zwei Gläser ein und reichte Elínborg eines davon.
»Skál!«, sagte er.
Elínborg stieß gedankenverloren mit ihm an. Teddi spürte, dass etwas in ihr vorging. Sie starrte in den Reistopf, während Teddi am Wein nippte und schweigend seine Frau beobachtete. Er traute sich nicht, sie anzusprechen.
»Kann das wirklich sein?«, stieß Elínborg hervor.
»Kann was sein?«
»Das ist doch totaler Schwachsinn!«, erklärte Elínborg.
»Wieso?«, fragte Teddi, der überhaupt nicht verstand, wovon sie redete. »Stimmt was nicht mit dem Reis?«
»Mit dem Reis?«
»Ja, ich hab die normale Menge genommen.«
»Er hielt das für Petroleum, aber es war etwas anderes«, sagte Elínborg.
»Was?«
Elínborg starrte Teddi an. Sie ging noch einmal in die Garage, holte seine Jacke und reichte sie ihm.
»Was für ein Geruch ist das eigentlich genau?«
»In der Jacke?«
»Ja. Ist das Petroleum?«
»Nein, das ist kein Petroleum«, sagte Teddi, während er an der Jacke schnupperte. »Das ist Schmieröl, sie stinkt nach Schmieröl.«
»Wer war dieser Runólfur«, flüsterte Elínborg. »Was für ein Mensch war er? Konráð fragte heute danach, und ich hatte keine Antwort parat, weil ich es gar nicht weiß, es aber eigentlich wissen sollte.«
»Was hättest du wissen sollen?«
»Es war nicht Petroleum, was Konráð gerochen hat. Herrgott noch mal, wir hätten ihn besser unter die Lupe nehmen sollen. Ich wusste es! Wir hätten Runólfur viel, viel genauer unter die Lupe nehmen sollen.«
Achtundzwanzig
Elínborg blieb noch eine Weile im Auto sitzen, bevor sie die Tankstelle betrat. Obwohl sie eigentlich gar keine Zeit dafür hatte, wollte sie die Sendung mit alten isländischen Schlagern zu Ende hören, die gerade im Radio lief. Sie war mit diesen Liedern aufgewachsen, und sie hatten ihr gefallen, auch wenn sie später herausfand, dass die meisten Melodien aus dem Ausland stammten und nur isländische Texte bekommen hatten. Ein Song nach dem anderen wurde gespielt, über den Frühling im Vaglaskógur, die kleine Lóa auf der Brücke und Simbi den Seemann. Sie fühlte sich an eine andere Welt erinnert und dachte an ihre Zeit mit Bergsteinn. Er hatte sich auch sehr für diese alten Schlager interessiert und oft darüber gesprochen, wie sich die Zeiten geändert hatten. Simple, unschuldige Schlager und Melodien, zu denen man tanzen konnte, waren einer kompromissloseren Musik gewichen, die voller Kritik und Zorn war. Diese Musik erinnerte sie auch an Erlendur, der sich in seine frühere Heimat zurückgezogen hatte und in Ruhe gelassen werden wollte. Wahrscheinlich hatte er sein Handy gar nicht mitgenommen und wollte von niemandem gestört werden. So hatte er es die wenigen Male immer gehalten, wenn er sich Urlaub genommen hatte und in den Osten des Landes gefahren war. Sie hatte überlegt, was er dort eigentlich machte, und war sogar so weit gegangen, sich in einer Pension in Eskifjörður nach ihm zu erkundigen, aber da wusste niemand etwas von ihm. Sie hatte mit diesem Anruf gezögert, denn sie kannte Erlendur vielleicht besser als alle
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