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Friedemann Bach

Friedemann Bach

Titel: Friedemann Bach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Emil Brachvogel
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Fußgänger mühsam hindurchschleichen konnten; vom jenseitigen Ufer starrten Kanonen. Das Brühlsche Palais war von Milizen besetzt, das königliche Schloß von der Schweizer Kronengarde. Alle öffentlichen Gebäude waren verrammelt und bewacht. Friedemann sah die Aussichtslosigkeit ein, in dieser Verwirrung und bei Dunkelheit noch einen Bekannten zu finden, er kehrte zum Gasthof zurück.
    Als er in sein Zimmer trat, das einzige, das für anständige Gäste bewohnbar war, fand er es zu seinem Erstaunen von zwei Fremden eingenommen. Seine Vorstellungen beim Wirt, das Angebot einer hohen Zuzahlung zum Quartiergeld hatten keinen Erfolg. Die Zimmergenossen boten das Gleiche, indem sie erklärten, große Summen mit sich zu führen und damit nicht unter dem gemeinen Volk in der Wirtsstube übernachten zu können. Friedemann schickte sich ins Unvermeidliche, ja, er ließ sich sogar beim Abendbrot die Gesellschaft des einen der Fremden, eines Mannes von wohlgebildeter Gestalt und guter Lebensart, der sich ihm mit »Hans von Schackwitz, Fechtmeister aus Prag« vorgestellt hatte, nicht ungern gefallen. Nach Tisch unterhielten sie sich noch eine ganze Zeitlang und tranken eine Flasche Wein zusammen.
    Wie die beiden anderen knöpfte Friedemann, als sie gemeinsam zur Ruhe gingen, den Rock behutsam über die Ledertasche mit seinen Papieren und Schätzen und legte sich angekleidet aufs Bett. Er erwachte ziemlich spät am anderen Morgen, fühlte sogleich nach der Tasche auf seiner Brust und fand sie -- mit einem Seufzer der Erleichterung stellte er es fest -- prall und in guter Ordnung an der gewohnten Stelle. Seine zufriedene Laune wurde noch zufriedener, als er vernahm, daß der eine Schlafgenosse, ein etwas schmieriger Geselle, bereits abgereist war und er in der kommenden Nacht Alleinbesitzer des Zimmers sein würde: denn auch Herr von Schackwitz mußte nach dem Frühstück, das sie gemeinsam einnahmen, seinen Weg fortsetzen.
    Friedemanns erster Besuch galt seinem Freund und Mitschüler Homilius. Durch aufgeregte Volksmassen hindurch erreichte er das Hotel Brühl, wurde willenlos zur Sophienkirche gedrängt, an ihr vorüber zum Hause Merpergers. Aus seinen Fenstern sahen fremde Gesichter auf ihn herunter. Sinnend zögerte er eine Weile ... bis das Aufbrüllen der Kanonen, das Geknatter von Gewehrschüssen ihn im Strom einer kopflos flüchtenden Menge hinwegriß. Mit Mühe rettete er sich durch die Willsdruffer Gasse nach dem Altmarkt und schließlich ins Kantorhaus der Kreuzkirche. Als er den Fuß über die Schwelle setzte, ging es ihm erst auf, wie ungeeignet zu einem Besuch diese Stunde höchster Kriegsnot war. Trotz aller herzlichen Begrüßung durch den Freund fühlte er seine Überflüssigkeit und wollte gleich wieder aufbrechen; Homilius ließ ihn aber erst wieder von sich, als auf den Straßen einigermaßen die Ruhe zurückgekehrt war.
    Wenige Stunden hatten genügt, um Dresden zu besetzen, die Garden zu entwaffnen, die öffentlichen Gebäude unter Bewachung zu stellen. Der Belagerungszustand wurde verhängt, und es erging der Befehl, daß alle Ortsfremden ohne preußischen Logierschein binnen vierundzwanzig Stunden die Stadt zu verlassen hatten.
    Als Friedemann, nicht ohne große Schwierigkeiten, in seinen Gasthof zurückgelangte, wurde er gleich von zwei uckermärkischen Grenadieren in Empfang genommen und, kaum daß sie ihm Zeit zur Begleichung seiner Zeche ließen, von Posten zu Posten weitergeschoben, bis er sich, weit außerhalb der Stadt, auf freiem Feld befand.
    »Ist mir recht geschehen!« schalt er in ärgerlichem Spott sich selber. »Wer wie ein Verrückter handelt, darf sich nicht wundern, wenn's ihm entsprechend ergeht! Wandern wir also wieder einmal, im nächsten Dorf wird schon Rat werden!« Mit langen Schritten stelzte er über die Ackerfurchen davon, blieb aber nach einer Weile noch einmal stehen: »Teufel, da hätte ich ja beinahe vergessen, die Handbörse aufzufüllen!« Er vergewisserte sich, daß er allein war und trat ins nächste Gebüsch. »Es wird in allen Wirtshäusern dieses gelobten Landes wohl nicht anders aussehen als in Dresden. Nie ungestört und ohne Zuschauer, und Vorsicht bei den tollen Zeiten ...«
    Er stockte. Auf der Erde lagen seine Brieftasche, die »Kunst der Fuge« und zwei vergilbte Notenblätter, und daneben ... Nägel, Blei, Scherben. Sonst nichts.
    »Barmherziger Himmel!« -- und er sank gebrochen neben die Trümmer seiner Habe. »Also wieder ein Bettler, -- arm, ärmer und

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