Friedemann Bach
selbst willen als wegen seiner Schönheit, die ihr dereinst ein Mittel zur Fortsetzung ihrer ehrgeizigen Pläne zu werden versprach. Ihre Zuneigung zu Brühl hatte denselben Grund, und wenn sie in letzter Zeit Sulkowsky ebenso vernachlässigt hatte wie ehemals Brühl, so war nicht allein Sulkowskys Häßlichkeit daran schuld, sondern auch die Absicht, den verliebten Polen zu noch höheren Anstrengungen seiner Opferfähigkeit zu vermögen.
Und nun, in der jetzigen Lage, in der der Hof sich befand, kalkulierte sie einfach: wer am höchsten steigt, wer der Letzte auf dem Platze ist, den nehme ich; denn der wird mich auch am meisten lieben.
Hierin trafen sich ihre Wünsche und Berechnungen mit denen der Königin, die längst bei sich beschlossen hatte, die heißbegehrte Gräfin als Lockvogel für beide Rivalen herauszustellen und denjenigen mit ihrer Hand zu beglücken, der am geeignetsten sein würde, Josephas Sklave zu werden.
In Fragen der äußeren Politik konnte Sulkowsky den Grafen Brühl nicht entbehren; denn ohne Hilfe Österreichs gab es keine Lösung der polnischen Angelegenheit, und ohne die Königin keinen Weg nach Österreich.
Freilich, Frankreich war weit entfernt von Polen und hätte um Leszcznskis willen durch halb Europa ziehen müssen, und mit Petersburg konnte, -- nein, mußte man eben zu einem Einverständnis gelangen! Da war dieses Privatschreiben Annas von Rußland an den König, in dem sie schmollend davon sprach, Minister Sulkowsky verzögere und erschwere durch seine persönlichen Antipathien die im Gange befindlichen Verhandlungen um die Anerkennung ihrer (allerdings etwas gewaltsamen) Wahl zur Kaiserin von Rußland. Der König war höchst ärgerlich gewesen, Sulkowsky schäumte vor Wut, und wäre in dem Brief der Name Brühls auch nicht so auffallend nebenher erwähnt worden, er hätte geheime Machinationen von dieser Seite aus erkannt. -- Brühl
triumphans?
-- Nein, das durfte nicht sein!
Sulkowsky handelte. Er vollzog nicht nur die sofortige Anerkennung Anna Iwanownas, er erfüllte ihr auch einen weiteren Herzenswunsch, indem er in die Verleihung Kurlands an ihren Günstling Biron aufs freundlichste einwilligte. Sogar mit Wien erzielte er, und ohne die Königin, eine schnelle Einigung. Hatte er bislang die Gewährung der pragmatischen Sanktion, jenes feierlichen Staatsgesetzes Karls VI. über die weibliche Thronfolge in Österreich, zurückgehalten, so notifizierte er nunmehr ihre sofortige Annahme.
Alsbald setzten sich die österreichischen Regimenter nach Polen in Bewegung. Es war die höchste Zeit; denn auch die Franzosen marschierten. Preußen blieb neutral, aber die Pforte, mit Frankreich vereint, und der größte Teil Polens erklärten sich offen für Stanislaus, der nach Warschau gekommen war, um an Ort und Stelle selbst seine Rechte zu verteidigen. -- Der Krieg war entschieden! Der französische Gesandte, Graf Broglio, verließ sofort Dresden. Das sächsische Herr rückte durch Schlesien hindurch vor ...
Sulkowsky frohlockte, Brühl war für den Augenblick geschlagen. Sie wußten nun beide, daß sie Feinde waren. Weil indessen der König, vielleicht aus richtigem Instinkt, beide hielt, so schlossen sie innige Freundschaft, -- auf den Moment lauernd, wo sie sich gegenseitig würden vernichten können. »Intime Feinde« nannte man sie bei Hofe, und sie selbst lachten ganz offen darüber. Sie umgaben sich gegenseitig mit Spionen, rivalisierten beim König, bei der Königin, bei der Gräfin Kollowrat und dem süßfreundlichen Hennicke.
Brühl hatte indessen zweierlei vor Sulkowsky voraus: er war hübscher, liebenswürdiger und daher im ganzen der Kollowrat doch angenehmer, und -- er hatte den in Petersburg weilenden, von keiner Seele in Dresden gekannten Siepmann. Vorerst allerdings hatte der Brief Annas die diplomatischen Künste dieses Schildknappen zunichte gemacht. Brühl berief ihn nach Dresden zurück, wo er sich unter fremdem Namen ein Stübchen in der Vorstadt mietete. Aber unverzüglich reiste er wieder ab. Nach Warschau.
Die schöne Kollowrat war sehr ungehalten über Brühl und sagte ihm rund heraus, daß ein Jahr des Wartens bald vorüber sei und sie nicht absähe, wie er seine stolzen Versprechungen verwirklichen wolle. Ja, er mußte zu seinem Leidwesen sehen, wie die treulose Schöne wieder Sulkowsky zuzulächeln begann, der durch die Anerkennung der pragmatischen Sanktion sich auch der Königin etwas genähert hatte.
Brühl, dem jetzt nur noch Josepha zugetan war,
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