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Friedemann Bach

Friedemann Bach

Titel: Friedemann Bach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Emil Brachvogel
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sein Herz. Er legte seine Hand in die Friedemanns: »Ja, hilf mir also! Aber ...«
    »Aber? Kein Aber, Doles! Ich helfe dir, und damit ist's gut. Nur eine Bitte hab' ich: versprich mir, daß du kein einzigsmal böse von meinem Vater sprechen oder über die Fuge schimpfen willst! Du schreibst keine, ich schreibe welche. -- basta! Und jeder mag sehen, wie er besser fährt.«
    »Gut. Friedemann, wenn du's so willst! Aber das sage ich dir: schenken laß ich mir von dir nichts, Friede; ich zahle dir alles wieder, was du an mir tust, -- das bin ich mir, das bin ich dem Schimpf schuldig, den mir dein Vater angetan, hörst du? Und wenn dir Gott ein Unglück oder einmal sonst ein Elend schickt, dann bist du ein schlechter Kerl, ein Lump bist du, wenn du nicht zu Doles kommst, verstanden?«
    »Ja, ja, dann komme ich auch zu dir, Doleschen!« lachte Friedemann, und Arm in Arm schritten beide zum Organistenhause ...
    Die allgemeine Gunst, deren Friedemann sich erfreute, brachte ihn in die ausgesuchtesten Zirkel der Residenz. Außer dem Oberprediger Merperger, dem Stadtsyndikus Weinlich, dem Bürgermeister Vogler und dem Konsistorialpräsidenten von Loß, die seine Patrone waren, beeiferten sich die Räte von Gersdorf und Zeh, der Hausmarschall von Erdmannsdorf und der Kammerherr von Holzendorf, ihn in ihren Häusern zu empfangen. Die Männer fanden ihn geistreich und angenehm, die Frauen schön, poetisch und galant; er war im besten Zuge, Modeartikel zu werden. Was aber einen besonderen Glanz auf ihn warf, war, daß er im Hause Brühl wohlgelitten war, und daß er bei außerordentlichen Gelegenheiten mit höchstem Beifall am Hofe gespielt hatte. Er stand auf einem Gipfelpunkt seines Glanzes, und nur die Schöpfung eines großen Werkes konnte ihn über sich selbst erheben. -- Ein stolzer Augenblick war ihm eben wieder beschieden gewesen: sein Vater war zum Hofkomponisten des Königs ernannt worden, und zu seiner Freude und Genugtuung durfte er ihm die Nachricht selber bringen, einen neuen Zweig der Anerkennung um des Vaters ergrauten Scheitel winden. Mit tausend lerchenhellen Jubelstimmen, die alte Hanne mit sich nehmend, reiste er mit dem kostbaren Diplom nach Leipzig. Die Engel der Liebe und Sehnsucht flogen vor ihm her zum Vaterhause, das er mehr als vier Jahre nicht mehr gesehen hatte.
    Was mochte sich dort wohl verändert, wie stark der Fluß der Dinge das gewohnte Bild in dieser Zeit verrückt haben? War er auch durch häufige Besuche der Seinen und die allwöchentlichen Briefe mit den Vorgängen im Elternhause ziemlich vertraut, so konnte er sich doch denken, daß ihm mancherlei, besonders alles Schmerzhafte und Betrübliche, nur unvollkommen berichtet worden war. Von seinen Schwestern waren kurz nacheinander die zweit- und letztgeborene gestorben, ein paar liebe Mädchen. Die Familie hatte sich aber auch um drei Söhne vergrößert: Abraham, den Magdalena anno 33 geboren, war schon im folgenden Jahre gestorben; 1735 war Johann Christian, den man nachmals den »Englischen« nannte, zur Welt gekommen, und vor einem Jahre David. Dieses jüngste und letzte war ein Schmerzenskind; mit ihm war in das sonst so gesegnete Haus Sebastians das Unglück eingezogen, denn der Knabe war blödsinnig ...
    »Herr Jeses, da is Leipzig! Sehn Se, sehn Se doch, Friede! Ich weeß och gar nich, Se sind e' junger Mensch und sitzen so kienstöckig da!« -- Solchermaßen aus seinen trüben Gedanken gerissen, ging Friedemann auf das gutmütige Geschwätz der Alten ein. An der Post stiegen beide aus.
    Es war an einem Wochentage und Friedemann wußte, daß Vater um diese Stunde zu Hause sein mußte. Anne Magdalene, die Mutter, saß in der Wohnstube, wo der einjährige Christian zu ihren Füßen spielte, und besserte Kinderkleider aus. In der Schlafstube daneben lag der unglückliche David in der Wiege. Sebastian, der Vater, war in seinem Unterrichtszimmer, das auf der anderen Seite des Flures lag, und als Friedemann leise vorbeischlich, hörte er den Vater laut und eindringlich sprechen, und ihm war's, als ob Altnikol oder Krebs bei ihm sei.
    Die alte Hanne hinter sich, huschte Friedemann in die Küche, wo er seine älteste Schwester Friederike zu finden hoffte, die nun, seit Hanne in Dresden war und die Stiefmutter mit den kleinen Kindern Sorgen genug hatte, fast ganz allein die Wirtschaft führte. Sie stand, mit dem Rücken gegen die Tür, am Herd und besorgte den Kaffee; Fiiedemann schlich leise hinter sie und hielt ihr die Augen zu.
    »Ach Gott!

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