Friedemann Bach
-- I was ist denn das? Sie sind's gewiß! -- Lassen Sie doch los, Altnikol! -- Was das für Dummheiten sind! Mein Gott, wenn die Mutter das sieht!«
»Und was dann, Riekelchen?« und der Bruder lachte ihr ins Gesicht.
»Friedemann! -- Ach Gott, du bist's? O, sei mir tausendmal gegrüßt, Herzfried!« und außer sich vor Freude fiel sie dem Langersehnten um den Hals und brach in solch jubelndes Entzücken aus, daß es in der Vorderstube gehört wurde und bald im ganzen Haus widerhallte: »Der Friedemann ist da!«
»Mein Junge, wo, wo ist er? Friedemann, Herzenssohn!« -- Vater und Sohn lagen einander in den Armen.
Auch die Mutter war mit den anderen herbeigeeilt, stand bewegt dabei und küßte ihren Stiefsohn recht wacker, denn sie hatte ihn lieb wie ihren eigenen. Emanuel polterte unterdessen von seiner Kammer herunter, um einzustimmen in den Willkomm, und der treuherzige Altnikol, der beim Vater war, reichte ihm herzlich die Hand.
»Nun, lasset mir den Friedemann nur ganz, Kinder, ihr zerreißt ihn ja vor lauter Liebe!« lachte Vater Sebastian und zog den Ankömmling in die Wohnstube. -- Dort aber wurde Friedemann feierlich: »Zuerst, ihr Lieben, setzt Euch einmal rings um mich her, und ihr, Herzvater und Herzmutter, gerade vor mich hin! Ich habe euch allen was Hochwichtiges mitzuteilen.«
»So? -- Na, setz' dich neben mich, Alte!« sagte Sebastian und zog Magdalene zu sich aufs Sofa. »Nun, Friedemann?«
»Lieber Vater, ich und alle, die dich lieb haben, und was noch mehr heißt, dich kennen als den größten Musikus, der je dem lieben Gott zu Preis und Ehre gesungen, wir alle haben immer sehnlichst gewünscht, du möchtest eine so hohe, vornehme Stelle in der Welt einnehmen, wie sie dir von Rechts wegen gebührt. Damals, als die Stelle an der Hofkirche zu St. Sophien leer war, wolltest du nicht, und hast sie lieber deinem Friedemann, der gegen dich nur ein Stümper ist, gegönnt, um sein Glück zu machen. Lieber Vater«, und Friedemanns Stimme kam ins Zittern, »so du’s nicht ungütig nimmst, ist dein dankbares Kind nun zu dir gekommen, um dir eine ebenso große Freude zu bereiten wie du ihm damals. Unsere Königliche Majestät von Sachsen hat dich mit sechshundert Talern Gehalt zu Höchstihrem geistlichen Hofkomponisten ernannt, und ich soll dir mit seiner gnädigen Erlaubnis das Diplom geben und ...« Der Sohn hielt das Dokument in der Hand, das Wort der Freude erstarb auf seinen Lippen. Sebastian erhob sich, sein gerührter und doch stolzer Blick überflog das Häuflein seiner jauchzenden Lieben, und Vater und Sohn drückten einander ans Herz. Magdalene aber schwenkte das ihrem Gatten entglittene Papier wie eine Siegesfahne, und alles drängte sich um den glücklichen Vater und Künstler, um ihm herzlich Glück zu wünschen. Und die Freude war um so größer, als das neue Amt ihn nicht von Leipzig riß, sondern ihm nur die Verpflichtung auferlegte, die für die kirchlichen Hoffeierlichkeiten notwendige Musik zu komponieren und sie bei außerordentlichen Gelegenheiten selbst zu dirigieren.
Friedemann hatte vierzehn Tage Urlaub, und der Vater gab Anweisung, ihn in seiner eigenen Arbeitsstube unterzubringen, damit er abends vorm Zubettgehen mit seinem Liebling noch ein bißchen plaudern könne. Friederike geleitete ihren Bruder nach oben, um ihm beim Auspacken behilflich zu sein, und Sebastian, im tiefsten Herzen zufrieden und glücklich, setzte sich zu Magdalene, hielt still lächelnd ihre Hand in der seinen und hörte dem unentwegten Geplapper der alten Hanne zu; durch Kaffee und Kuchen angeregt, ward sie nicht müde, sämtliche Neuigkeiten aus der Residenz auszukramen und die tausend neugierigen Fragen der Kinder zu beantworten ...
»Friederike«, forschte mittlerweile Friedemann seine Schwester aus, »sag einmal, du bist dem Altnikol wohl ungeheuer gut?«
»Herr Jesus, Friede! Mein Gott! -- Ach, was du auch denkst! -- Pfui, du bist recht garstig!«
»Aber recht herzlich gut bist du dem Altnikol doch, Friederike!« und er umfaßte sie und sah ihr lächelnd in das verschämte Gesicht. »Keine Winkelzüge, Hand aufs Herz: bist du dem Altnikol gut?«
»Aber ...« -- »Kein Aber! Ja oder nein?«
»Na, dann also ja! Ich bin ihm gut, und er mir auch, -- daß du's nur weißt. Er hat vor ein paar Tagen ein Angebot als Organist nach Naumburg gekriegt und weiß nicht, was er tun soll.«
»Zugreifen natürlich! Naumburg ist eine gute Stelle.«
»Aber dann muß er von Leipzig weg! ... Dem Vater wagen wir's
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