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Friedemann Bach

Friedemann Bach

Titel: Friedemann Bach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Emil Brachvogel
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Prediger und pflanzte sich drohend vor dem Abgesandten des Ministers auf, »ich begreife die Ursache nicht, die mich Ihrer nie erbetenen Sorgfalt und Warnung teilhaftig macht. Ich begreife aber, daß die Anwesenheit des armen Menschen in meinem Hause gewisse vornehme Personen beunruhigt, die sich vor ihrem Gewissen ihrer unmenschlichen Tat sehr wohl bewußt sind. Das Ansinnen, das Sie an mich stellen, lehne ich als Diener der göttlichen Barmherzigkeit und Liebe ab! Sagen Sie Ihren Auftraggebern, daß ich der weltlichen Gewalt nur als Beamter des Staates untergeordnet bin. In der Ausübung meiner geistlichen Pflicht aber, als Diener Gottes, hat mir niemand etwas zu sagen. Ich werde den Kranken so lange in meinem Hause behalten, wie ich und der Arzt es für Menschenpflicht halten. Wenn er gesund ist, soll er zu den Seinen zurückkehren. Bis dahin aber warne ich jeden -- bei der Heiligkeit meines Amtes als Priester! --, dieses Haus mit Absichten zu betreten, die dem Friedemann Bach feindlich sind, sonst werde ich an ihm, er sei, wer er wolle, ein Beispiel statuieren und ihn öffentlich zur Rechenschaft ziehen über die Schandtaten, die er sich gegen Gott und Vaterland, gegen Fürst und Volk zuschulden kommen ließ, -- unbeirrt, ob man mich entsetzt und vertreibt. Sagen Sie das denen, die Sie geschickt haben!«
    Verdutzt und äußerst beeindruckt entfernte sich Saul, erschien aber am gleichen Tage noch einmal und versicherte mit größter Freundlichkeit: so ernst seien seine Worte nun nicht aufzufassen gewesen; es solle lediglich verhindert werden, daß gewisse bedauerliche Vorfälle in die Öffentlichkeit dringen könnten, weil sie dort leider vollkommen falsch und schief beurteilt würden.
    »Durch meinen Mund dringt nichts in die Öffentlichkeit, Herr Saul! Nicht aus Menschenfurcht, aber um des armen Opfers willen werde ich schweigen. Darüber kann man sich beruhigen! Vergessen Sie aber nicht: nur unter der Bedingung, daß man mich nicht in Ausübung meiner Liebespflicht hindert! Ergebener Diener, Herr Saul!«
    Brühl war eingeschüchtert, und Friedemann blieb fortan im Predigerhause unbehelligt.
    In stetem Gleichmaß kamen und gingen die Tage, brachten den Frühling, brachten den Sommer: das Befinden des Gemütskranken schien einer weiteren Besserung nicht mehr fähig.
    An einem strahlend schönen Sonntag stand Friedemann am offenen Fenster seines Gartenhauses und sah gedankenverloren in die blühende Pracht hinaus. Von der Kirche her, in der Merperger und Doles ihres Amtes walteten, trug der Sommerwind leise Orgeltöne herüber. Düstere Schwermut lastete heute besonders stark auf ihm; er hatte noch nicht ein einziges Wort gesprochen. Ulrike saß am anderen Fenster und nähte; die Stille bedrückte sie, sie blickte den Sinnenden des öfteren schmerzlich an, sie bemerkte, daß ihm Tränen über die Wangen liefen. Besorgt legte sie die Arbeit weg, trat zu ihm und faßte seine Hand: »Kommen Sie vom Fenster, lieber Friedemann, die Orgel greift Sie an! Plaudern Sie lieber ein wenig, das lenkt Sie ab.«
    Friedemann wandte sich zu ihr, über sein Gesicht zuckte es. »Ulrike, ich habe mir's eben überlegt, ob es wohl recht ist, daß ich bisher gegen Sie schwieg. Ach, wenn ich« -- und er faßte an seinen Kopf -- »hier nur erst richtig klar würde!«
    »O, das sollen Sie schon werden, Friedemann! Wir pflegen Sie so lange, bis Sie ganz wohl sind. Und welche Freude für Ihren Vater, wenn sie erst wieder musizieren werden! Gewiß, in einem Vierteljahr haben Sie wieder erreicht, was Sie versäumten!«
    »Nie, Ulrike! Das erreiche ich nie wieder!«
    »Nicht doch! Wie kann ein Künstler, wie Sie, so sprechen? Was Sie sind und leisten, kann doch niemand von Ihnen nehmen!«
    »Aber die Ehre, den Jugendmut! ... Ulrike, Sie vor allen anderen sind meiner Bewunderung wert! Kommen Sie, hören Sie mich an! Ich will ganz ruhig sein und mich nicht erregen, aber ich muß endlich einmal mit Ihnen sprechen, damit Sie sehen, daß der arme Friedemann nicht undankbar ist.«
    »Aber Friedemann!«
    »O, bitte, lassen Sie mich!« Und er zog die leise Widerstrebende zu sich aufs Sofa. »Ulrike, ich bereue mein ganzes Leben. Es nagt an mir, daß ich so leichtsinnig gewesen bin und mich in die große Welt stürzte. Der Künstler, wenn er auch noch so bedeutend ist, muß nur für seine Kunst und den engsten Kreis seiner Freunde leben! Ich hätte mit mir mehr haushalten sollen. Wäre ich nicht wie ein Irrlicht umhergeflackert, hätte ich weniger

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