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Friedemann Bach

Friedemann Bach

Titel: Friedemann Bach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Emil Brachvogel
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löschte die brennenden Straßen und verteilte zur Linderung der ersten Not achtzehntausend Laib Brote unter die Armen. Gegen die zurückgebliebene Königin bezeigte er sich äußerst rücksichtsvoll. Wo er konnte, trocknete er die Tränen der Bedrängten, hörte er die Klagen der Menge, half er ...
    Auf der höchsten Zinne des Königsteins aber stand in sich versunken der Minister Brühl, schaute hinüber nach dem verlorenen Dresden und murmelte Verwünschungen. Unweit von ihm fuhr ein Sträfling seinen Karren vorüber: »Auch einmal bei uns zu Besuch, Herr? -- Ja, ja, wir sind alle Komödianten des Lebens, manche spielen nur verteufelt schlecht!«
    »Siepmann?!«
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    Der Stoß Friedrichs II. gegen Dresden hatte in der Hauptsache den östlichen, an Preußen angrenzenden Teil Sachsens getroffen und somit Leipzig vor dem Ärgsten bewahrt. Zwar war der Handel, die Existenzgrundlage der Stadt, gelähmt, zwar flüchteten sich die Kapitalien vor der drohenden Kontribution in das unauffindbarste Kellerversteck, zwar hielt die Angst vor den möglichen Geschehnissen der nächsten Stunden und Tage die Gemüter ständig in Aufregung, aber man hungerte nicht, man hatte ein Obdach, man lebte ungestört, -- das Leben ging weiter.
    Weniger noch als die Allgemeinheit wurde Sebastian Bach von dem schnell verebbenden Wellenschlag der Zeit getroffen. Eng auf sich und den kleinen Kreis der Seinen beschränkt, blieb er um so mehr teilnahmslos, als er das hereingebrochene Unheil als eine Art göttlicher Vergeltung ansah. Er war überhaupt mürrisch und, im geflissentlichen Bemühen, sein Familienunglück vor Leipzigs Augen zu verbergen, fast ein wenig wunderlich geworden. Immer weniger fühlten sich seine Freunde und Kollegen, fühlte sich die Außenwelt zu ihm hingezogen.
    Sebastian Bach trug schwer an dem völligen Zusammenbruch all seiner Hoffnungen, die er für den Lieblingssohn gehegt; schmerzvoll sah er seine stillen Träume, in denen das Talent Friedemanns, das seine überstrahlend, wie ein leuchtendes Gestirn über dem Abend seines Lebens aufgegangen war, zerrinnen ... wie Träume eben zerrinnen. Er wäre schon glücklich gewesen, seinen Ältesten, etwa wie Altnikol ehrenvoll plaziert zu wissen.
    Friedemann hatte sich, als er damals nach Leipzig zurückgekehrt war, mit allem Eifer auf die Musik geworfen, den Vater unterstützt und auch einiges komponiert. Doch die Freiheit des musikalischen Gedankens, die Begeisterungsglut fehlten. Er arbeitete korrekt, geistvoll und mit Geschmack, aber aus einem Herzen heraus, das ohne Poesie der Liebe, ohne Größe der Entsagung, ohne jenen lächelnden Schmerz war, der den Künstler über sich selbst erhöht, und so mangelte seinen Tongemälden der Duft, die Weihe, die innerste Seele, die dem Kunstwerk erst wirkliches Leben einhaucht. Ätzend und bitter waren seine Gefühle, glühend und verzehrend seine Wünsche geworden, und nicht der hohe Enthusiasmus, sondern der wunde Stolz war's, der ihn zum Schaffen trieb. Friedemann wollte mit stürmender Gewalt sein verlorenes Leben wiedererobern, -- darum brachte er es zu nichts.
    Nur manchmal, wenn er auf der Orgel improvisierte, wuchs er zu unerreichbarer Größe auf. Dann stiegen aus der Tiefe seiner verschleierten Seele entbannte Geister empor und schritten wie Boten einer namenlosen Welt durch die Lüfte, Geister des Lichtes, Dämonen der Nacht, lächelnde Freudenlaute, dumpf grollender Schmerz. Aber diese Improvisationen blieben Goldkörner, in den Wind gestreut, blitzend im Sonnenstrahl, ins Leere verweht von der entflatternden Minute. Die kurzen Augenblicke der Weihe wurden immer seltener, und sie hörten ganz auf, als der Oberorganist -- das »musikalische Hornvieh« nannte ihn Sebastian -- es durch allerlei kleinliche Quälereien fertigbrachte, den unbequemen Konkurrenten vom Chor zu vertreiben.
    Friedemann, der wohl fühlte, daß das alte Verhältnis zwischen dem Vater und ihm einen unheilbaren Riß erhalten hatte, war leicht verletzbar geworden; und Sebastian selbst, so sehr er seinen Ältesten liebte, war doch viel zu sehr Künstler, als daß sich sein Herz nicht unbewußt nun Emanuel, seinem zweiten Sohne, zuwandte, der hochgeehrt und geachtet den Hof Friedrichs II. schmückte und sich neben einem Quanz, Graun und Salimbeni zu behaupten verstand. Friedemann fühlte, daß er den Vater täglich mehr verlor, und das machte ihn noch elender und zerrissener. Nur Anna Magdalena, seiner Stiefmutter, die seine wunde Seele liebend an sich zog

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