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Friedemann Bach

Friedemann Bach

Titel: Friedemann Bach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Emil Brachvogel
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lassen!«
    Der Vater sah ihn eine Weile nachdenklich an; dann legte er mit einer entschlossenen Gebärde den Stichel weg. »Friedemann, das geht so nicht länger! Dein Unglück macht dich neidisch und schlecht. Du hängst deiner trüben Stimmung zu störrisch an und wirst dich immer mehr deinen Mitmenschen entfremden. Wenn du die rechte Religion hättest, würdest du wissen, daß Gott am Ende alles wohl macht und man sein Kreuz ruhig tragen muß. Wenn du wirklich fromm wärest, würdest du im Gottvertrauen Kraft finden, aus deiner Betrübnis zur Hoffnung hinfinden, und die würde dir Kraft geben, fröhlich zu arbeiten!«
    »Aber, lieber Vater, gebe ich mir nicht die größte Mühe? Was soll ich denn noch machen, in aller Welt?!«
    »Das bloße Mühegeben hilft dir nichts, Friedemann. Du quälst dich ab und willst die Arbeit erzwingen, darum glückt dir's nicht. Ohne innere Freudigkeit, ohne Hoffnung ist jedes Kunstwerk schon in der Geburt tot. Ach, ich seh's immer klarer ein, daß dir der eigentliche Grund und Boden der Gottesgläubigkeit fehlt, der freudige Knechtesgeist, der aus der eigenen Demut Kraft zum Schaffen gewinnt. Heute ist unser Heiland geboren, der das arme Menschengeschlecht erlöst hat. Ach, wenn mir Gott die Freude schenkte, daß in dir auch so ein Heiland auferstände, der dich von dir selber frei machte, der dir ein neues Herz gäbe und einen neuen Mut, dann, lieber Sohn, würd' es auch gehen, glaube mir's!« Bpwegt preßte er Friedemann an sich, und diesem, der den Notschrei des Vaterherzens wohl verstand, wollte es fast die Brust sprengen. Sanft schob er den Alten beiseite: »Warte einen Augenblick, lieber Vater, ich komme gleich wieder.« -- Er war sehr blaß als er zurückkehrte, und hielt ein Notenblatt in der Hand. »Lieber Vater, ich hab' einen letzten Versuch gemacht. Ich wollte dir's eigentlich heute abend schenken, aber da dir und mir so weh ist, denk' ich, 's ist jetzt vielleicht besser.« Sebastian drückte ihm die Hand. Er nahm die Komposition und entrollte argwöhnisch das Papier. Furcht vor falscher Hoffnung lag in seinen Zügen.
    Das Auge des Sohnes hing an seinem Gesicht, wie wenn ein Todesurteil von den Lippen des Vaters fallen solle. Sebastian wurde feuerrot. Bald blickte er auf Friedemann, bald auf das Papier, ganz als träumte er.
    »Ach, es ist wohl schlecht, Vater?«
    »Schlecht?! Bist du toll? Nein, Herzensjunge, gut ist's! So gut und schön ist's, daß ich -- nimm mir's nicht übel -- noch gar nicht begreife, daß du das gemacht hast!« Und eine selige Freude, der alte Stolz auf seinen Friedemann zogen wieder in Sebastians Herz. Wie ein Kind lachend und schluchzend, stürmte er, das Notenblatt hoch emporhaltend, hinüber zur Mutter. Friedemann war wie neugeboren. Die Sonne des alten Selbstvertrauens schien wieder auf sein wundes Gemüt, und leise öffnete die Hoffnung ihre Tempelpforten. Er folgte dem Vater. Da, in der Unterrichtsstube, saß schon der Alte am Klavier und spielte die Introduktion, und Mutter Magdalena sang mit ihrer lieben Stimme die Hymne, die wie ein Gebet emporstieg zum Allvater:
    »Kein Hälmlein wächst auf Erden,
Der Himmel hat's betaut,
Und kann kein Blümlein werden,
Die Sonne hat's erschaut.
Wenn du auch tief beklommen
In Waldesnacht allein:
Einst wird von Gott dir kommen
Dein Tau und Sonnenschein;
Dann sproßt, was dir indessen
Als Keim im Herzen lag.
So ist kein Ding vergessen,
Ihm kommt ein Blütentag.«
    Die Mutter war außer sich vor Freude, lachte und weinte in einem, und der Vater spielte und summte die Hymne immer wieder und konnte sich nicht zufrieden geben. Endlich sprang er auf: »Sag, Herzenssohn, wo hast du in aller Welt das schöne Gedicht her?«
    »Auch das Gedicht hab' ich selber gemacht, lieber Vater!«
    »O, siehst du wohl, Mutter, es ist doch noch die alte Kraft in ihm. Das ist ihm so recht aus der Seele gekommen, ist ein Stück von ihm selber, drum ist's so prächtig und mächtig geworden! -- Nun sei auch wieder unverzagt, Herzensfriede, und nicht mehr mürrisch! Der alte Herrgott lebt immer noch und hat dir heute das schönste Christkind geschickt: den inneren Erlöser, ohne den wir im Leben nun einmal nicht bestehen können.«
    Friedemann lächelte wieder, und »Christfest ist heute!« jubelte es wieder im Hause wie ehemals ... »Christfest!« tönte es mit befreundeten Stimmen zurück, und die gute Friederike, zwei blonde Rangen an der Hand und den fröhlichen Altnikol hinter sich, stand auf der Schwelle.
    »Herein, herein!«

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