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Frieden auf Erden

Frieden auf Erden

Titel: Frieden auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Kallotomie, du Dummkopf. Das Bewußtsein war weg, wie soll man da nicht umfallen!«
    »Und der Sand? Dieser Staub? Woher kam der?«
    »Ich weiß nicht. Nichts weiß ich.«
    Darauf schwieg ich lange. Es ging auf acht Uhr, draußen war es hell, aber ich sah nichts, so fieberhaft dachte ich nach. Das Mondprojekt war in Trümmer gegangen? In diesem Schutt spielten sich nicht nur sinnlose Kämpfe und Umtriebe ab, hier bahnte sich zugleich etwas an, was auf Erden niemand vorhergesehen und schon gar nicht programmiert hatte … Das aber, was da im Entstehen war, sollte den Sendling von Lax geknackt oder vielmehr unter Kontrolle genommen haben? Ich erinnerte mich daran nicht, konnte mich – offenbar wegen der Kallotomie – nicht erinnern. Der gekidnappte Sendling mußte mich auf den Mond gelockt haben – entweder in böser oder in anderer Absicht. In böser Absicht? Um mein Gedächtnis auszulöschen? Was hätte er davon gehabt? Wahrscheinlich nichts. Oder hatte er mir etwas geben wollen? Hätte er mir nur eine Mitteilung machen wollen, wäre meine Landung unnötig gewesen. Nehmen wir an, er habe mir diesen Staub gegeben – etwas oder jemand habe aber nicht gewollt, daß diese Operation gelingt, und durch die Durchtrennung des Balkens mein Gehirn versehrt. Dann hatte, sollte es sich so verhalten haben, DAS, was den Dispersanten lenkte, mich gerettet? Oder war es weniger um die Rettung Tichys gegangen, sondern darum, daß eine Botschaft auf die Erde gelangte, ebenjener feinkörnige, schwere Staub? Nein, allein als Information konnte er nicht gedient haben, er war etwas Materielles, Handfestes, das ich mit mir nehmen sollte. Ja, so fügte sich ein Teil des Rätsels zu einem größeren Ganzen, das dennoch nicht völlig plausibel wurde. Deshalb teilte ich diese Hypothese möglichst rasch meiner zweiten Hälfte mit.
    »Das kann schon sein«, antwortete sie endlich. »Diesen Staub haben sie jetzt hier, aber das genügt ihnen nicht.«
    »Daher diese Überfälle, Rettungen, Überredungsversuche, Besuche und Alpträume?«
    »Danach sieht es aus. Du sollst dich, das heißt mich, ihren Untersuchungen ausliefern.«
    »Aber sie erfahren doch nichts, wenn du nicht mehr weißt, als du sagst …«
    »Wohl nicht.«
    »Wenn aber DORT etwas so Mächtiges entstanden ist, das den dispergierten Sendling in seine Gewalt bringen konnte, so mußte es doch auch imstande sein, direkt in Verbindung zur Erde zu treten. Mit der Agentur, der Leitzentrale, mit wem immer es wollte, zumindest aber mit den Leuten, die die Agentur entsandte, nachdem ich zurück war.«
    »Keine Ahnung. Wo sind die Neuen gelandet?«
    »Das weiß ich nicht. Jedenfalls sieht es aus, als gebe es widersprüchliche Interessen sowohl HIER als auch DORT. Was kann DORT aus diesem Krebs, diesen Zerfallserscheinungen, durch diese Ordogenese, wie Gramer es nannte, entstanden sein? Ein System, eine Ordnung? Eine elektronische Selbstorganisation? Aber warum? Zu welchem Zweck?«
    »Wenn etwas entstanden ist, dann ohne jeden Zweck. Genau wie das Leben auf der Erde. Die Elektroniken haben sich gegenseitig aufgefressen. Die Programme sind ausgeflippt. Die einen drehen sich im Kreis, andere sind zusammengebrochen, wieder andere sind ins Niemandsland eingedrungen und veranstalten Spiegelerscheinungen und Fata Morganen.«
    »Vielleicht, vielleicht«, sagte ich mehrfach stumpfsinnig, aber dennoch in einer sonderbaren Erregung. »Möglich, möglich, ich kann mir das jedenfalls vorstellen. Falls überhaupt ein derart kompletter Zerfall eingetreten ist und daraus Fotobakterien oder Viren aus integrierten Schaltkreisen entstehen konnten, so gewiß nicht überall, höchstens an einem bestimmten Ort infolge eines ungewöhnlichen Zusammentreffens mehrerer Zufälle. Ich kann mir auch nicht vorstellen, wie das Entstandene sich auf seine Weise auszubreiten begann, aber daß daraus ein JEMAND werden konnte – nein! Das wäre reine Faselei. Ein Geist aus Teilchen konnte dort nicht zur Welt kommen. Ein Verstand, auf dem Mond, aus dieser zertrümmerten Elektronik? Nein, das ist reine Phantasie.«
    »WER hat dann also den molekularen Sendling in seine Gewalt gebracht?«
    »Du bist sicher, daß so etwas passiert ist?«
    »Indizien zufolge. Nach dem Verlassen des japanischen Trümmerhaufens hast du keinen Kontakt zur Basis bekommen, nicht wahr?«
    »Nein, aber ich habe auch keine Ahnung, was danach vor sich ging. Ich wollte über den Bordcomputer Verbindung zu dem trojanischen Satelliten, um

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