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Frieden auf Erden

Frieden auf Erden

Titel: Frieden auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Jonathan«, seufzte er, »hätte ich dich doch eher kennengelernt! Es ist etwas an dem, was du sagst, aber es stimmt nicht ganz. Man kann zu diesen Kontinenten, Monden und Wundern nämlich kein persönliches Verhältnis haben. Der wahre Träumer ist emotionell beteiligt, ohne das geht es nicht. Auch ein Würmchen hat keinen Reiz, wenigstens nicht für mich. Ein guter Traum schlägt weder in ohnmächtige Wut noch in verstärkte Geilheit um, er hat etwas Irisierendes, weißt du, er ist ein bißchen da und ein bißchen nicht da, und dabei schläfst du ein. Tagsüber, im Wachen, habe ich dafür nie Zeit gehabt. Der Schreiberling, den ich mir gemietet hatte, bezeichnete die Zahl der erreichbaren Träume als umgekehrt proportional zur Zahl der verfügbaren Zahlungsmittel. Wer alles hat, kann von nichts mehr träumen. Mit dem Herrgott den Platz tauschen? Gott behüte! Aber dich würde ich trotzdem sofort engagieren.«
    Auf dem ausladenden Blatt eines niedrigen, stachellosen Kaktus saß eine dicke Schnecke. Sie sah eklig aus, und das war es wohl, was Adelaide bewog, sie dem Pfleger zu zeigen. »Iß das«, sagte er und zog zugleich ein Scheckheft und einen Kugelschreiber aus dem Pyjama.
    »Für wieviel macht er das?« fragte ich neugierig. Der Pfleger hatte schweigend die Hand nach der Schnecke ausgestreckt, aber ich hielt ihn zurück.
    »Du kriegst tausend Dollar mehr, als Mr. Gramer dir bietet, wenn du das NICHT ißt«, erklärte ich und zog mein Notizbuch aus der Tasche. Es hatte den gleichen grünen Plastikeinband wie Adelaides Scheckheft.
    Der Pfleger stand starr. Der Millionär schaute etwas zögernd drein, für mich ein riskanter Augenblick, weil ich nicht wußte, ob er weiterbieten würde. Meine augenblicklichen Guthaben reichten gewiß nicht an den Tarif heran, den Gramer für Schnecken festgesetzt hatte. Ich mußte einen weiteren Trumpf ausspielen.
    »Für wieviel wollen SIE das essen, Adelaide?« fragte ich und öffnete mein Notizbuch, als wollte ich einen Scheck ausschreiben. Das packte ihn. Diener und Schnecke hörten für ihn auf zu existieren.
    »Ich gebe dir einen Blankoscheck, wenn du sie ungekaut runterschluckst und mir sagst, wie sie sich in deinem Bauch bewegt!« sagte er, vor Erregung heiser.
    »Tut mir leid«, gab ich lächelnd zurück, »ich habe schon gefrühstückt und pflege niemals zwischen den Mahlzeiten zu essen. Außerdem dürften deine Konten gesperrt sein, Adelaide. Entmündigung, unter Vormundschaft und so weiter. Habe ich recht?«
    »Nein, du irrst dich. Chase Manhattan zahlt auf jeden meiner Schecks.«
    »Na schön, aber ich habe wirklich keinen Appetit. Kommen wir lieber auf die Träume zurück.«
    Das Gespräch hatte mich so in Anspruch genommen, daß ich neben allem anderen auch meine linke Körperhälfte vergessen hatte. Sie meldete sich von selbst: Wir hatten die kritische Schnecke bereits hinter uns gelassen, als ich dem Millionär plötzlich ein Bein stellte und mit einem Faustschlag ins Genick nachhalf, daß er der Länge lang auf den Rasen fiel. Ich erzähle das in der ersten Person, obwohl meine linken Extremitäten die Täter waren. Es galt, das Gesicht zu wahren.
    »Entschuldige bitte«, sagte ich und suchte alle verfügbare Herzlichkeit in meine Stimme zu legen, »entschuldige, aber das war mein Traum.« Ich half ihm beim Aufstehen. Er war weniger beleidigt als verstört. So war er offenbar noch nie behandelt worden, weder innerhalb noch außerhalb des Sanatoriums.
    »Du läßt dir wirklich was einfallen«, sagte er und klopfte die Erdkrumen vom Pyjama. »Mach das aber nicht wieder, sonst bekomme ich einen Bandscheibenvorfall. Außerdem könnte ich anfangen, mal von dir zu träumen«, setzte er mit einem fiesen Grinsen hinzu. »Was hast du eigentlich?«
    »Nichts.«
    »Das ist klar, aber warum bist du hier?«
    »Ich muß ein bißchen ausspannen.«
    In der Tiefe einer schattigen Allee erblickte ich Doktor Hous. Durch Winken bedeutete er mir, ich solle kommen, dann wandte er sich um und verschwand in einem Pavillon.
    »Für mich wird es Zeit, Adelaide«, sagte ich und klopfte dem Millionär auf die Schulter. »Das nächste Mal träumen wir weiter.«
    Aus der offenen Tür wehte es angenehm kühl. Die Klimaanlage lief völlig geräuschlos, die Wände waren von einem blassen Grün, es herrschte eine Stille wie im Innern einer Pyramide. Teppichboden, weiß wie Eisbärenfell, dämpfte jeden Schritt. Hous erwartete mich in seinem Arbeitszimmer. Auch Tarantoga war da, er machte mir einen

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