Frieden auf Erden
redet nur im Flüsterton, das macht den Eindruck, als wolle er einem gleich weiß Gott was für ein Geheimnis verraten. Er behauptet, sein Fall sei aussichtslos. Zuletzt hat sich seine Depression dadurch verstärkt, daß er vergessen hat, warum er so schrecklich leidet. Er hat drei Töchter, alle drei sind verheiratet und treiben swinging . Irgendwelche Burschen machen davon Fotos, die er ihnen für schweres Geld abkaufen muß, damit sie sie nicht durch einen »Hustler« an die Öffentlichkeit bringen. In dem Wunsche, ihm zu helfen, deutete ich an, vielleicht sei dies der Grund seines Leidens, aber er bestritt es: Daran sei er schon gewöhnt. Übrigens sei er unter Kuratel gestellt, da überließe er, wenn die Töchter im zoologischen Garten swinging trieben, die Sorge den Kuratoren.
Ich weiß nicht, warum ich das notiere. Ein nackter Millionär ist eine fürchterlich uninteressante Figur. Padderhorn sagt überhaupt nichts. Er soll eine Fusion mit Japanern eingegangen und schlecht damit gefahren sein. Eine deprimierende Gesellschaft, aber Gagerstine ist noch schlimmer. Er grinst in sich hinein und sabbert. Angeblich ist er Exhibitionist. Ich muß mich von diesen Kotzpillen fernhalten. Doktor Hous sagte mir, morgen käme jemand, dem ich trauen könne wie ihm selbst. Er spiele einen jungen Arzt beim Praktikum, sei in Wirklichkeit aber Ethnologe und wolle eine Arbeit über Millionäre schreiben. Es gehe um die Dynamik kleiner Gruppen oder so etwas Ähnliches.
9. Juli. Nach Tarantogas Abreise bin ich nun allein mit Doktor Hous, seinem Assistenten und den durch den Park schlappenden Millionären. Hous hat mir unter vier Augen erklärt, er wolle das Ausmaß meiner rechten Lateralisierung nicht weiter untersuchen, denn das, was man nicht wisse, könne einem nicht gestohlen werden. Der Assistent ist tatsächlich ein junger Ethnologe. Er hat mir einen Eid abgenommen und es mir verraten, nachdem er erfahren hatte, daß ich nicht zu den Geldknöpfen gehöre. Er betreibt Feldstudien. Seine Arbeit soll Gewohnheiten und Mentalität der Millionäre untersuchen, nach der Methode, mit der die Glaubensvorstellungen primitiver Völker erforscht werden. Hous weiß, daß der junge Mann nichts mit Medizin zu tun hat, und ihn wohl deshalb zu sich genommen. Ich führte mit dem Ethnologen abendelange Gespräche, wir saßen in dem kleineren Labor und tranken Whisky »Teachers« aus Reagenzgläsern.
Ich erzählte, daß ich noch nie in so langweiliger Gesellschaft gewesen sei wie hier unter den Nabobs. Der Ethnologe pflichtete mir bei. Er war bedrückt, weil er annehmen mußte, daß für seine Arbeit nicht genug Material zusammenkommen würde.
»Wissen Sie was«, sagte ich einmal in dem Wunsche, ihm zu helfen, »hauen Sie einen vergleichenden Traktat herunter: Reiche Leute gestern und heute. Das Mäzenat des Staates oder irgendwelcher Stiftungen ist ja noch sehr jung, den Privatmann Maecenas hingegen gab es schon im alten Rom. Der Beschützer der Künste. Die Musen und so weiter. Auch hinterher haben reiche Leute und Fürsten den Künstlern, Bildhauern und Malern das Leben ganz erträglich gemacht. Offenbar interessierten sie sich dafür, wenn sie auch nichts studiert hatten. Die hier dagegen« – ich wies mit dem Daumen über die Schulter nach dem inzwischen in Dunkel getauchten Park – »interessieren sich für nichts als die Börsenkurse. Ich streife mir wahrhaftig kein eitles Federkleid über, wenn ich sage, daß ich ziemlich bekannt bin. Meinen Reisetagebüchern verdanke ich eine Masse Zuschriften, aber unter den Millionen Lesern war noch kein einziger Millionär. Warum nicht? Die meisten sollt ja ihr hier in Dallas und Denver haben. Drei davon sind in diesem Sanatorium. Sie sind stinklangweilig sogar als Verrückte. Wie kommt das? Die Latifundien haben niemanden verdummt, aber was verdummt die hier? Die Börse? Das Kapital? Und wie geht das vor sich?«
»Nein, da steckt was anderes dahinter. Die damals waren auf irgendeine Weise gläubig, sie wollten sich vor dem Herrgott ein Verdienst erwerben. Zu Kasteiungen hatten sie keine Lust, da war es schon was anderes, Baumeister und Maler zu bezahlen, sollten die doch was hinhauen, ein Abendmahl, einen Moses, einen Dom mit einer Kuppel, unter die alle früheren drunterpassen. Darin sahen sie ihr Geschäft, Herr Tichy, nur daß sie es eben dort sahen.« Er wies mit dem Zeigefinger nach der Decke, also dem Himmel. »Und da die einen angefangen hatten, folgten die anderen ihrem
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