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Frieden auf Erden

Frieden auf Erden

Titel: Frieden auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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bereits versucht worden, aber ohne wesentliche Resultate, weil die rechte Lateralisierung in diesen Fällen zu schwach war.«
    »Mehr können Sie mir also wirklich nicht sagen?«
    »Doch. Wenn Sie Ärger vermeiden wollen, tragen Sie Ihren linken Arm in der Binde oder noch besser in Gips. Er verrät Sie.«
    »Was verstehen Sie darunter?«
    Hous wies schweigend auf den Teller mit den Pfefferkuchen.
    »Das rechte Gehirn hat Süßigkeiten im allgemeinen lieber als das linke. Das ist statistisch erwiesen. Ich wollte Ihnen eine simple Methode demonstrieren, deren sich jemand bedienen könnte, um über den Daumen Ihre Lateralisierung zu bestimmen. Als Rechtshänder müßten Sie die Pfefferkuchen mit der Rechten ergreifen – oder gar nicht.«
    »Wie lange und wozu soll ich den Arm in Gips legen? Was habe ich davon?«
    Hous zuckte kaum merklich die Achseln.
    »Schön, ich will Ihnen sagen, was ich eigentlich nicht sagen dürfte. Sie haben gewiß von den Piranhas gehört?«
    »Ja, das sind so kleine, sehr blutgierige Fische.«
    »Genau. Normalerweise greifen sie den Menschen im Wasser nicht an, aber wenn er nur die kleinste Schramme hat, reicht ein Blutstropfen aus, daß sie sich auf ihn stürzen. Die sprachliche Tüchtigkeit des rechten Gehirns ist nicht größer als die eines dreijährigen Kindes, und auch das recht selten. Bei Ihnen ist sie beträchtlich. Wenn sich das herumspricht, können Sie ernsthaft in Schwierigkeiten kommen.«
    »Wenn er nun direkt zur Lunar Agency geht?« warf Tarantoga ein. »Wenn er sich dort betreuen läßt? Schließlich haben sie an ihm was gutzumachen, er hat für sie den Kopf hingehalten.«
    »Das ist vielleicht nicht die schlechteste Lösung, aber auch keine gute. Eine gute Lösung gibt es nicht.«
    »Wieso nicht?« fragten Tarantoga und ich wie aus einem Munde.
    »Je mehr sie aus dem rechten Gehirn herausholen, um so größer wird ihr Appetit nach mehr, und das kann – nennen wir es bei einem freundlichen Namen – langfristige Isolation bedeuten.«
    »Ein, zwei Monate?«
    »Oder ein Jahr und länger. Das rechte Gehirn verständigt sich mit der Welt normalerweise hauptsächlich über das linke, durch Sprache und Schrift. Es gab bisher keinen Fall, wo es, noch dazu fließend, sprechen gelernt hätte. In diesem Fall ist der Einsatz so hoch, daß man in dieses Wissen größere Bemühungen investieren wird als sämtliche Spezialisten bisher.«
    »Irgendwas müssen wir aber anfangen«, murmelte Tarantoga. Hous stand auf.
    »Gewiß, aber nicht unbedingt heute, hier und jetzt. Vorläufig haben wir keine Eile. Herr Tichy kann gern einige Monate hierbleiben, wenn er es wünscht. Vielleicht bringt die Zeit eine Klärung.«
    Zu spät erkannte ich, daß Doktor Hous leider recht hatte.
     
    »In der Erkenntnis, daß mir niemand besser helfen wird als ich selber, habe ich alles bisher Vorgefallene aufgeschrieben und auf Band gesprochen. Dann habe ich die Notizen verbrannt, und den Recorder mit den Kassetten werde ich nun in einem hermetisch verschlossenen Einweckglas unter dem Kaktus vergraben, auf dem ich der Schnecke begegnet bin. Ich sage das alles noch, um das Band bis zum Ende auszunutzen. Der Ausdruck ›Ich begegnete der Schnecke‹ erscheint mir nicht glücklich, obwohl ich nicht weiß, warum. Schließlich kann man einer Kuh begegnen, einem Affen, einem Elefanten, aber schwerlich einer Schnecke. Sollte man von einer Begegnung nur reden dürfen, wenn das betreffende Geschöpf mich bemerken kann? Wohl nicht. Ich weiß nicht, ob die Schnecke mich bemerkt hat, die Fühler jedenfalls hatte sie ausgefahren. Ist das eine Frage der Größe? Niemand wird sagen: ›Ich bin einem Floh begegnet.‹ Man kann aber einem wirklich sehr kleinen Kind begegnen. Ich weiß nicht, warum ich das letzte Stück Tonband für solchen Blödsinn verschwende. Gleich werde ich das Einweckglas vergraben, fernere Notizen mache ich nach einem selbst erfundenen Kode. Ich werde meine rechte Gehirnhalbkugel nicht anders nennen als SIE, vielleicht auch einfach ICHAUCH. Das ist nicht mal schlecht, ICHAUCH, AUCHICH, ICH und ICH. Vielleicht ist das aber auch zu leicht zu entschlüsseln. Weil das Band nun doch zu Ende geht, greife ich zum Spaten.«
     
    8. Juli. Entsetzliche Hitze. Alle laufen in Pyjama oder Badehose herum. Ich auch. Durch Gramer habe ich zwei andere Millionäre kennengelernt: Struman und Padderhorn. Beide sind Melancholiker. Struman, um die Sechzig, hat ein schlaffes Gesicht, einen dicken Bauch und krumme Beine. Er

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