Frieden auf Erden
recht verlegenen Eindruck, wie er eine pralle Mappe auf den Knien hielt, Papiere herausnahm und wieder hineinstopfte. Hous wies auf einen Sessel, ich nahm mit dem unangenehmen Gefühl Platz, auf eine Sache zurückkommen zu müssen, die ich nur loswerden konnte, wenn ich mich selber los wurde.
Hous blieb an seinem Schreibtisch sitzen und nahm sich eine Zeitung vor. Tarantoga fand endlich die gesuchten Papiere.
»Ja, mein lieber Ijon, so sieht das nun aus … Ich war bei zwei hochrenommierten Juristen, um deine Lage unter rechtlichem Aspekt definieren zu lassen. Den eventuellen Mandanten habe ich natürlich nicht mit Namen genannt, auch von deiner Mission habe ich nichts gesagt, sondern die Geschichte so vorgetragen, daß nur der Kern des Falles blieb: Jemand hatte Zugang zu Problemen höchster Geheimhaltungsstufe, er sollte sich damit vertraut machen und einem Organ der Regierung Bericht erstatten. Zwischen dem ersteren und dem letzteren wurde er einer Kallotomie unterzogen. Er hat einen Teil dessen, was er erkundet hatte und weitergeben sollte, vergessen, weil es höchstwahrscheinlich in der rechten Halbkugel seines Gehirns steckt. Inwieweit ist er gegen seine Auftraggeber verpflichtet? Wie weit dürfen sie legal gehen, um diese Informationen zu bekommen? Beide erklärten die Angelegenheit für schwierig, es handle sich um einen Präzedenzfall. Ein Gericht, das zu entscheiden hätte, werde Sachverständige berufen und könne deren Ansicht folgen, müsse es aber nicht. Jedenfalls brauchst du dich ohne Gerichtsurteil keinerlei Untersuchungen oder Tests unterziehen zu lassen, falls jene Institution diese verlangen sollte.«
Doktor Hous blickte von seiner Zeitung auf.
»Das ist eine merkwürdig lustige Geschichte«, sagte er, entnahm einer Schublade eine Tüte Pfefferkuchen und leerte sie auf einen Teller, den er mir hinschob. »Ich weiß, Herr Tichy, Sie finden das durchaus nicht lustig, aber jedes Paradoxon von der Art des Circulus vitiosus bereitet nun mal Spaß. Wissen Sie, was Lateralisierung ist?«
»Natürlich«, erwiderte ich und sah voller Abneigung meiner linken Hand zu, die einen Pfefferkuchen ergriff, obgleich ich nicht den geringsten Appetit hatte. Um mich nicht zum Narren zu machen, nahm ich das Gebäck dennoch in den Mund. »Ich habe genug darüber gelesen. Beim normalen Menschen ist die linke Gehirnhalbkugel dominierend, weil sie für die Sprache zuständig ist. Die rechte ist im allgemeinen stumm, versteht aber einfache Sätze und kann manchmal sogar ein bißchen lesen, das eine wie das andere jedoch in unterschiedlichem Grade. Ist die linke Lateralisierung nicht stark ausgeprägt, kann die rechte Halbkugel über entsprechend mehr Selbständigkeit verfügen – auch im Gebrauch der Sprache. Sehr selten kommt es vor, daß es eine Lateralisierung fast gar nicht gibt. Dann befinden sich die Sprachzentren in beiden Halbkugeln, was zum Stottern oder zu anderen Störungen führen kann …«
»Sehr gut.« Hous lächelte mir freundlich zu. »Aus dem, was ich erfahren habe, ziehe ich den Schluß, daß Ihr linkes Gehirn (so nennen wir das nämlich zuweilen auch) deutlich dominiert, das rechte aber überdurchschnittlich aktiv ist. Ganz sicher bin ich mir allerdings nicht, dazu bedürfte es längerer Untersuchungen.«
»Und wo liegt das Paradoxon?« fragte ich und suchte möglichst unauffällig die linke Hand wegzuschieben, die mir wieder einen Pfefferkuchen in den Mund stecken wollte.
»Ob eine Befragung Ihres rechten Gehirns einen realen Nutzen bringt, hängt davon ab, wie groß die rechtsseitige Lateralisierung ist. Um zu erfahren, ob eine solche Befragung überhaupt der Mühe wert ist, muß zuerst die Größe der Lateralisierung bestimmt werden. Das heißt, Sie müssen untersucht werden, aber um Sie untersuchen zu können, braucht man Ihr Einverständnis. Das bedeutet, daß die vom Gericht berufenen Sachverständigen nicht mehr sagen können als ich jetzt: Der Befund wird vom Ausmaß der Lateralisierung bei Ijon Tichy abhängen, die man ohne Untersuchung nicht bestimmen kann. Man müßte Sie also untersuchen, um darüber befinden zu können, ob man Sie untersuchen muß. Verstehen Sie?«
»Ja. Und was raten Sie mir, Doktor?«
»Ich kann Ihnen nichts raten, weil ich in der gleichen Situation bin wie jene Sachverständigen mitsamt dem Gericht. Niemand auf der Welt, Sie eingeschlossen, weiß, was Ihr rechtes Gehirn enthält. Sie sind auf die Idee gekommen, die Taubstummensprache anzuwenden, auch das ist
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