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Frieden auf Erden

Frieden auf Erden

Titel: Frieden auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Aushändigung von einer Spezialanlage zur Korrespondenzentschärfung geprüft wurde. Die Epistolarballistik, wie sie von den Experten genannt wird, ist bereits so weit entwickelt, daß eine Ladung, die imstande ist, den Adressaten in Stücke zu reißen, in einer Faltkarte mit Weihnachtsgrüßen stecken kann – oder, damit es lustiger ist, einer Geburtstagskarte mit den besten Wünschen für Glück und Gesundheit. Erst nach Professor Tarantogas todesträchtigem Brief, der mich fast ins Jenseits befördert hätte, und nach dem Krach, den ich daraufhin schlug, zeigte man mir die Maschine in dem gepanzerten Raum mit speziellen, schrägstehenden Stahlblöcken, die den Schlag der Explosion abfangen sollten. Die Briefe werden mit ferngesteuerten Greifern geöffnet, zuvor aber mit Röntgenstrahlen oder Ultraschall behandelt, damit der eventuell darin enthaltene Zünder losgeht. Jener Brief aber war nicht explodiert und auch wirklich von Tarantoga geschrieben, also händigte man ihn mir aus, und nur dank meinem scharfen Geruchssinn kam ich heil davon. Der Brief roch nämlich nach Reseda oder Lavendel, und das fand ich nicht nur sonderbar, sondern geradezu verdächtig, weil Tarantoga der letzte wäre, der seine Korrespondenz mit Duftnoten versähe.
    Ich las die Anrede »Lieber Ijon« und begann zu lachen, ich begriff sofort, daß ich lachte, obwohl mir danach gar nicht zumute war. Da ich überdurchschnittlich intelligent bin, pflege ich niemals grundlos wie ein Blödsinniger zu lachen. Folglich konnte mein Gelächter keines natürlichen Ursprungs sein. Für alle Fälle tat ich etwas höchst Vorsorgliches: Ich schob den Brief unter die Glasplatte, die meinen Schreibtisch bedeckte, und las durch das Glas. Außerdem hatte ich glücklicherweise gerade Schnupfen und schneuzte mich kräftig. Der wissenschaftliche Beraterstab stellte hinterher Erwägungen an, ob mein Schneuzen einem Reflex oder einer augenblicklichen detektivischen Schlußfolgerung entsprungen sei. Ich war mir selbst nicht sicher, hatte dadurch aber nur eine außerordentlich kleine Dosis der Substanz eingeatmet, mit der der Brief angereichert war. Es war ein völlig neues Präparat. Das Lachen, das es verursachte, war nur die Ouvertüre für einen Schluckauf, der so hartnäckig war, daß er erst in tiefer Narkose nachließ. Ich rief sofort Lohengrin an, der zuerst glaubte, ich mache dumme Witze, denn ich fiel vor Lachen fast vom Stuhl. Aus der Sicht der Neurologie ist das Lachen die erste Stufe des Schluckaufs. Schließlich klärte sich der Fall, zwei Burschen mit Schutzmasken holten den Brief ins Laboratorium, und Doktor Lopez und seine Kollegen beatmeten mich zu meiner Rettung mit reinem Sauerstoff. Als ich nur noch kicherte, zwangen sie mich zur Lektüre der Leitartikel sämtlicher Zeitungen vom Tage und vom Vortage. Ich hatte nicht die geringste Ahnung gehabt, daß die Presse sich – wie übrigens auch das Fernsehen – während meiner letzten Reise zweigeteilt hatte.
    Es gibt Zeitungen und Fernsehprogramme, die alles melden, wie es kommt, und es gibt solche, die ausschließlich gute Nachrichten bringen. Ich war bisher mit diesen letzteren gefüttert worden und hatte in der Basis daher den Eindruck gewonnen, daß die Welt nach Abschluß des Genfer Vertragswerkes tatsächlich schöner geworden sei. Immerhin durfte man annehmen, daß wenigstens die Pazifisten voll zufriedengestellt waren – aber nicht die Spur! Vom Geist der neuen Zeit kann ein Buch Zeugnis ablegen, das Doktor Lopez mir einmal borgte. Der Verfasser wies nach, daß Jesus ein Diversant war, entsandt, um durch das Predigen der Nächstenliebe nach dem Prinzip des Divide et impera die Zerstörung der jüdischen Einheit und den Zerfall des römischen Imperiums herbeizuführen. Beides gelang, das erste recht bald, das zweite mit einiger Verzögerung. Jesus selbst hatte nicht die blasseste Vorstellung, daß er ein Diversant war, auch die Apostel wußten nichts, alle handelten nach bester Absicht, aber man weiß ja, was mit eben solchen Absichten gepflastert ist. Dieser Autor, dessen Name mir leider entfallen ist, vertrat die Ansicht, jedermann, der Nächstenliebe und Friede allen Menschen guten Willens predige, gehöre unverzüglich aufs nächste Polizeirevier geschleppt, damit man herausbekomme, was wirklich dahintersteckt. Kein Wunder also, daß die Pazifisten bereits umgeschult hatten. Ein Teil nahm sich mit seinen Protestaktionen des schrecklichen Geschicks schmackhafter Tiere an, wodurch der

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